Schon zum Fünfzigsten durfte ich mich wieder mit der allzeit quälenden Frage aus meinem Umfeld herumschlagen: „Was wünscht Du Dir denn?“


Alle Jahre wieder gibt’s diesen Stolperstein…

„Was wünschst Du Dir denn zum Geburtstag?“
„Was wünschst Du Dir zu Weihnachten?“

WELTFRIEDEN!

„Sonst nix?“

Vorsicht, spätestens jetzt wird’s für den Frager und Rapunzel zum Minenfeld und Fettnäpfchenkrisengebiet!!

Ich habe nämlich keine Ahnung, was ich mir wünschen soll.
Und die Fragenden haben aus Erfahrung null Ahnung, womit sie mir wirklich eine Freude machen könnten.

Zum Glück gibt’s nicht viele Menschen, die sich dem aussetzen müssen und die Gelegenheiten, diesen Hindernisparcour absolvieren zu müssen, beschränken sich auf 2 Tage im Jahr.

Das, was ich gerne hätte, kann mir nämlich keiner geben, denn diese Dinge gibt’s leider nicht bei Amazon oder Karstadt gegen Taler zu kaufen.
Ginge das, hätte ich mir alle Wünsche schon selbst erfüllt.
Gesundheit, Freiheit, Wohlfühlen, eine unbeschwerte Kindheit, Normalität, Mobilität, Lebenslust, Spaß, Freude, Angstfrei sein…
Die Liste der unbezahlbaren und unerfüllbaren Wünsche ist lang.

Und im Laufe der Jahre sind die Wünsche auch noch bescheidener geworden.
Heute bin ich schon „happy“, wenn ich einen Tag habe, an dem ich in den Spiegel schaue und mag, was ich da sehe. Oder wenn ich eine Mammutaufgabe wie Einkaufen relativ symptomfrei überstanden habe.

In ein paar Jahren werde ich wahrscheinlich wahre Gicht-Freudensprünge machen, wenn ich meinen Namen noch weiß, meine Brille finde und die Dritten treffsicher im Wasserglas versenke.

Natürlich könnte ich mir auch was wünschen, was materieller Natur ist, doch auch da ist´s gar nicht so einfach mit mir.

Was soll ich mit einem Gutschein für einen Friseurbesuch oder zum Faltenplattbügeln bei der Kosmetikerin?
All diese Dinge lösen Stress aus, schon bevor ich mich überhaupt aus dem Haus wage.
Und wofür brauche ich das überhaupt? Konzertkarten? Dinner for Two?
Meine restaurierte Schönheit kann ich nirgendwohin ausführen….und ne Dauerwelle und FakeLashes im Kleinen Schwarzen von der Kassiererin im LIDL bewundern zu lassen, ist wie „Perlen vor die Säue werfen“.
Übrigens musste ich, als Rapunzel noch die Schulbank drückte, mal in einer Deutscharbeit einen Aufsatz zu einem Sprichwort schreiben. Es gab mehrere Sprichworte zur Auswahl….unter anderem „Perlen vor die Säue werfen“.
Ich hatte mich damals dafür entschieden, obwohl ich keinen blassen Schimmer hatte, was damit eigentlich gemeint war und ordentlich herumpalavert in diesem Aufsatz. Ich bekam für meine Ahnungslosigkeit, soweit ich mich erinnere, eine Vier.
Hätte ich damals das Wissen von heute gehabt….heute wäre für die Punktlandung einen Absatz höher in diesem Beitrag, ne glatte Eins fällig.

Haushaltsartikel kaufe ich mir selber, meine Wohnung ist komplett eingerichtet, meine Schränke quellen über, Handy, Laptop, Tablet, TV, alles vorhanden…

Überhaupt muss ein Geschenk bei mir auch noch Sinn machen…nützlich sein, eine Daseinsberechtigung haben….und da mir SPONTAN auch nie was einfällt, da auch für mich mein Geburtstag jedes Jahr vollkommen überraschend auf einen 14.11. fällt, gibt’s selten eine Antwort, wenn mich jemand nach meinen Wünschen fragt.

Irgendwie ist es für alle Beteiligten scheiße, wenn ein „Bring-Geschenke-zu-Rapunzel-Tag“ ansteht.

Aber warum bin ich so wunschlos?
Ich könnte mir auch den Ferrari unter den Bügeleisen wünschen und mein altes dafür in die Tonne treten,  einen Friseur-Hausbesuch, eine mobile Fußpflegerin…ein neues Handy, Bücher, Blanko-Gutscheine für Amazon, Bastelkram, Parfum…
SchnickSchnack, mit dem MANN Frauen glücklich macht.

Letztes Weihnachten hat mein Partner mir mein Lieblingsparfüm geschenkt…Jean-Paul-Gaultier.
Früher, als ich noch bei Douglas gearbeitet habe, habe ich täglich mehrfach den Tester im Geschäft gequält und zuhause habe ich ebenfalls mit der 100ml Flasche „geduscht“. Ich hatte zig Markendüfte zuhause und habe mich großzügig von oben bis unten eingesprüht.

Ungelogen…mein Weihnachtgeschenk vom letzten Jahr habe ich bisher exakt 3mal benutzt. Stattdessen sprühe ich mich mit Billigdüften für 1,49 von Action ein.
Ich bin da schon wie die Omis früher, ich habs noch im Ohr: „Das war doch so teuer“
„Das ist viel zu kostbar für mich“

Anscheinend hat sich im Laufe meiner Krankheits-Karriere auch mein Selbstwert drastisch nach unten reduziert.
Ich verdiene schöne Dinge nicht mehr, ich leiste ja auch nix mehr und modere so vor mich rum. Ich bin eine Belastung, eine Strafe für mein Umfeld…und ich darf keine Ansprüche und auch keine Wünsche mehr haben.
Sagt mir niemand….sagt nur mein Inneres!

Aufgefallen ist mir das die letzten Tage…

Ich hatte Anfang der Woche die Gutachterin für das OEG bei mir zuhause…3 Stunden musste ich Rede und Antwort stehen…also ein schweineanstrengender Tag für mich.
Mein Freund meinte dann nachmittags, ich sollte mir doch eine Fototapete für mein neues Schlafzimmer aussuchen….
Und dann habe ich wahrhaftig am Montag Hunderte von Webseiten im Internet nach einem Motiv durchsucht, welches mir gefallen würde.
Allein bei Amazon waren es schon 400 Seiten. Mein Freund meinte nach Stunden, ob ich überhaupt noch aufnahmefähig sei…

Gefunden habe ich einige Tapeten, von denen ich ganz genau weiß, dass sie meinem Freund für sein Schlafzimmer gut gefallen würden. Eine schöner als die andere.
Für mich hingegen habe ich nur so halbherzige Ergebnisse gehabt.
Zu teuer, zu groß, zu bunt, zu einfarbig, zu wild, zu ruhig…  irgendwas war immer.

Ich habe insgesamt 6 Tage gebraucht und weitere Hunderte Seiten, bis ich mich heute durchgerungen habe, eine Tapete zu kaufen, die ich nicht zwingend brauche und die auch noch 50 Euro kostet.

6 Tage für eine „Das-Gönn-ich-mir“ Entscheidung.
Zwischendurch habe ich immer wieder gedacht, ich kann das Zimmer auch einfach weiß streichen und fertig. Hätte mein Freund nicht immer wieder motivierend zugesprochen, wäre es bei einem Eimer Farbe geblieben.

Ist das nicht traurig?
Was macht das Leben mit mir? Was macht mein Gehirn mit mir?

Warum kann ich MICH nicht (mehr) wertschätzen?
hey, das Wort habe ich jetzt so oft bei irgendwelchem Therapie- und Herzmenschenkram gelesen, das musste ich jetzt auch mal einsetzen 😉

6 Tage für eine läppische Tapete im mittleren Preissegment…
6 Tage für eine „Nur-für-mich“ Entscheidung.

Eure kopfschüttelnde Rapunzel