Um einen Welpen stubenrein zu bekommen, wird der Kleine mit Lob und Leckerchen überschüttet.
Und auch alle anderen Grundübungen werden von Tierfreunden ohne Druck, sondern mit Belohnung, Bestärkung und Lob trainiert.


Rapunzel hat sich mal wieder richtig einen erlaubt…natürlich vollkommen unbewusst und ohne Absicht… und trotzdem fühlte ich mich schuldig.
So schuldig, dass ich da erstmal richtig drüber nachdenken musste, wieso es so kam und nicht anders.

Was war geschehen?

Es war ein Telefonat zwischen mir und einer ehemaligen Mitpatientin, die sich zur Vertrauten hochgearbeitet hat. Wir sind Freundinnen im Experimentiermodus mit ähnlichen psychischen und somatischen Problemen aufgrund der Biografien, aber mit teilweise vollkommen unterschiedlichen Lösungsansätzen, sei es antrainiert oder auch aufgrund unterschiedlichem Temperament und Charakter.

Ich nenne sie Rumpelstielzchen und sie mich Rapunzel.
Und ich finde, das verdeutlicht unsere Verschiedenheit perfekt!

Rumpelstielzchen hatte über die Osterfeiertage einen ordentlichen psychischen Einbruch, so wie wir alle es kennen. Ihr Therapeut gab ihr deswegen eine Hausaufgabe auf, die sie an meinem Freund und mir ausprobieren sollte.

Nunja—wie soll ich es sagen…Rumpelstielzchen hat die Hausaufgabe erledigt, indem sie mir am Telefon in einer Mischung aus Tränen, Trotz und Verzweiflung von dieser Hausaufgabe erzählte. Sie beschrieb somit lediglich den Inhalt dieser Aufgabe.
Für Rumpelstielzchen war damit aber diese Aufgabe abgearbeitet – Für mich war es keine Erfüllung der Aufgabe.

Wie das so ist, wenn 2 aufeinandertreffen…
Wir bewerteten das Ergebnis unterschiedlich.

Und dann passierte das, was mich so stutzig werden ließ…
Rumpelstielzchen forderte ein Lob ein, bzw. meckerte, weshalb ich sie nicht einfach mal loben könnte, anstatt zu sagen, dass die Hausaufgabe nur zur Hälfte erledigt war. Sie würde mich ja auch loben und bestärken, wenn ich manchmal über mich hinauswachse.
Ich blieb aber dabei…die Hausaufgabe war nur zur Hälfte erledigt, verpackte es aber ein bisschen netter, bzw. ich war eigentlich auch schon vorher der Meinung, dass ich mich ihr gegenüber ausreichend positiv geäussert hätte.
Was mich aber vollends verwirrte…ich fühlte mich schuldig.

Rapunzel verschwand nach dem Telefonat im Keramik-Saal, ließ sich auf dem weißen Thron nieder und betrachtete sinnend den metallenen Spender wohltuender Wärme, während die Gedanken darum kreisten, weshalb ich Rumpelstielzchen nicht einfach ein Lob geben konnte. Einfach mal sagen „Hast Du fein gemacht, Rumpelstielzchen“

Wenn ich früher meine Hunde erzogen habe, klappte das „FeiniFein“ schließlich auch ohne Probleme…Da kamen die „Feinifeins“ bei jeder Gelegenheit quietschend mindestens 2 Stimmlagen höher aus meinem Mund gesprudelt.
„Oh ist das fein! Gutes Hundi! Feinifeinifeinifein!“
Dann wurde noch der Hundekopf getätschelt, das Leckerchen in die Schnute geschoben…erledigt!

Ja, das war einfach….aber warum kann ich das bei Rumpelstielzchen nicht? Und andere Menschen werden auch nicht mit Lob überschüttet von mir.
Ich habe da so auf dem Klo…ups Thron… rumgesessen, der rechte Fuß schlief so langsam ein, und war die Erinnerungen am durchwühlen, wie, wann und wo ich meinen Sohn als Kind eigentlich gelobt habe. Mir fiel nix ein.
Ich hoffe zu meinen Gunsten, dass ich mich nur nicht daran erinnere.

Und dann sezierte ich mein Verhalten, wenn ich Lob und Komplimente von anderen Personen bekomme.

Ich werte es nämlich sofort ab, dass meine Leistung nix besonderes ist oder der andere es nicht so meint und nur höflich sein will…..oder lügt.
Und im schlimmsten Fall bekomme ich das ungute Gefühl, dass ich für dieses Lob oder Kompliment gleich etwas tun muss, was ich nicht will. Das gilt auch für Geschenke. Oder wenn jemand einfach nett zu mir ist.
Brachten mir meine Partner in der Vergangenheit z.B Blumen mit…einfach so…dann habe ich sofort gefragt was er mir beichten muss oder was er angestellt hat.
Aber das stimmte nicht, es ging dabei nie um die Männer…es ging um mich.
Ich habe es nur so verpackt, um meine eigentlichen unschönen Gefühle und Gedanken zu verschleiern.
Schlicht gesagt, mich ängstigt es, wenn etwas Positives über mich als Mensch gesagt wird.

wp_20160920_002Trotzdem bemesse ich mich an dem Wert, den andere mir geben.
Ich möchte natürlich auch an(erkannt) werden….meine Leistungen, meine Intelligenz, mein Aussehen…Ich möchte Likes für meine Beiträge, wollte Anerkennung früher in meinen Jobs und als Schulkind gute Noten…aber bitte sachlich, am besten im Schulnotensystem und möglichst ohne Gefühlsduselei. Für Dinge, die ich aktiv tue!
Aber nie für das, was ich bin. Dann rutsche ich wieder in alte Verhaltensmuster.

Ja, ich weiß! Total widersprüchlich, aber ich habe ja auch noch nie behauptet, normal zu sein.

Und wenn ich Lob nicht annehmen kann, dann wird wohl irgendwas in meinem Kopf davon ausgehen, dass andere Personen auch kein Lob brauchen….Ich komme erst gar nicht auf den Gedanken, jemand anderen loben zu wollen/müssen/können/dürfen.

Eure Rapunzel