Es ist zum Haare-Raufen…
Kann sich eigentlich ein Gesunder vorstellen, wie es ist, nicht frei entscheiden zu können, etwas für sich zu tun?
Ein stinknormaler Friseurbesuch, das ist das, woran ich seit Jahren scheitere!
Zuletzt wurden mir meine Haare an meinem Geburtstag vor 3 Jahren geschnitten, von meiner Freundin, die eigentlich als Gast zum Kuchenessen da war.
O-Ton: „Ich kann mir das Elend nicht ansehen.“
Das war aber auch nur Behelf, denn sie hatte 2 Schlaganfälle und kann weder richtig sehen, geschweige denn noch eine Schere vernünftig halten.
Davor hat meine Nichte es mal versucht und in der Klinik 2016 eine Mitpatientin.

Meine Haare reichen mir nun mittlerweile bis über den Popo…
Spliss schneide ich ca. einmal im Jahr selber weg, wenn das Durchkämmen zu schwer wird.
Jeder, der meine Haare sieht, ist immer ganz begeistert von dieser Pracht und das sind auch die kurzen Momente, wo ich mir etwas Eitelkeit gestatte und lässig auf meine guten Gene verweise.
Und meinen Rapunzelzopf finde ich auch toll, wenn ich genug Schwung habe zum Flechten.
Doch das eigentliche Leid dahinter kann niemand sehen. Meine Realität:
- Ich wasche meine Haare alle 2 Wochen, manchmal ist der Abstand noch größer.
- Meistens reicht meine Energie nicht, um die Haarkur auszuwaschen.
Ich laufe also mind. 2 Wochen mit der Haarkur rum. - Ich kämme meine Haare nicht täglich und das Kämmen ist schmerzhaft und körperlich anstrengend.
- Durch mein Kopfschaukeln verknoten sie extrem.
- Ich kann mir keine richtigen Frisuren machen.
- Ich laufe oft mit verfilzten Haaren rum, die ich dann in einem Dutt oder Pferdeschwanz verstecke.
- Ich habe fast täglich Kopfschmerzen von dem Gewicht und von dem Ziepen der einzelnen Partien, wenn ich die Haare zusammenbinde.
- Die Haare brechen ab durch das Zopfgewicht oder durch das Kämmen, sonst wären sie noch länger!
- Ich habe ständig juckende Kopfhaut.
Eine richtige Grundfrisur habe ich schon ewig nicht mehr, denn ich kann nunmal nicht so ohne weiteres in einen Friseursalon.
Jetzt werden sich viele wieder fragen, warum Rapunzel denn nicht kann und warum sie sich nicht einfach ne Friseurin ins Haus holt.
Der erste Punkt ist (anscheinend), dass irgendwas in mir drin es nicht für wert hält, etwas für mich zu tun.
Selbst wenn ich den Gedanken habe, verschwindet dieser, ohne mich zum Handeln zu Bringen, im Schwarzen Loch oben in meinem Kopf.
Und auch wenn er sich hält und der Impuls da ist, aktiv zu werden (aus Leidensdruck oder Motivation), fehlt dann in dem Moment die Begleitung, die mich dort hinbringen könnte, oder meine Verfassung ist nicht stabil genug oder es ist zu erwarten, dass am Ort der Sehnsucht die Voraussetzungen nicht passend sein werden (zu voll/nur mit Termin/geschlossen).
Oder ich schaffe es einfach nicht, zu fragen, weil ich nicht zur Last fallen will.
Also…Ihr seht…es müssen für all diese Punkte die Zeichen auf „Go“ stehen, sonst wird das nix.
Termin scheidet also aus, genauso wie ein Hausbesuch.
Gestern war der Tag X, wo mein Leidensdruck mit meinen Haaren morgens beim Kämmen wieder mal derart groß war, dass ich die eigentlichen Pläne mit meiner Wohnbetreuung umschmiss und sie mich zum nächsten Friseurladen bringen sollte.
Leider war die Friseurin alleine und hatte keine Zeit…und im zweiten Salon wars zu voll, zu laut, Stimmengemurmel, der Fön, der Geruch von Dauerwellenflüssigkeit…
Ich war schon wieder am Schweben.
Volle Bauchlandung, Abbruch direkt am Friseurstuhl…
1 Meter vor dem Ziel.
Ich bin so frustriert und wütend auf mich selber….
Ja, das ist mein Waterloo…genauso wie das Nagelstudio und das Solarium.
Oder Schminken und Körperpflege generell…
Ich träume davon, mir Permanentmakeup machen zu lassen, damit ich nicht ständig so blass und ungepflegt aussehe, wenn ich in den Spiegel gucke.
Ich freu mich schon lange nicht mehr über meinen Anblick.
Aber nach dem Erlebnis gestern kann ich das auch auf Eis legen.
Wie macht Ihr das?
25. Februar 2022 at 21:18
Also….jetzt bin aber baff….ausgerechnet Du maekelst an Dir rum..
….ich erinnere mich an eine bildhuebsche Frau …da war mal n Foto…hm…meine das war ein kleiner Ausflug….man dachte hier…WOW sieht die R.aber megagut aus…….hab diese Woche …die Brauen gefaerbt &mit der restl.Farbe doch tatsaechlich die grauen Ansaetze an den Ohren…also.Frise betreffend…hey das hat sogar toll funktioniert
Liebe R….selbst OHNE Frise waerst Du ne Bildhuebsche🏆
&ja …WE KNOW SELFHATE!!!
💞Gruesse
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25. Februar 2022 at 21:54
Danke fürs Kompliment,
natürlich gibts auch mal Tage, wo ich mich optisch soweit ok finde, dass es ein Foto ins Internet schafft, doch das sind eben nur Momentaufnahmen.
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25. Februar 2022 at 21:33
Ich habe zu keinem Zeitpunkt gedacht, warum du es nicht kannst. Ich finde es dagegen sehr trauig, dass andere es nicht sehen das du es nciht kannst. Allso außer deiner Freundin, die es nicht schafft. Es wird übersehen, weil es keiner ansprechen mag, weil kaum jemand es sich vorstellen kann oder weil es dem anderen peinlich ist, vom Gefühl es sich nicht gehört solche Dinge anzusprechen. Zumal damit müsste das Gegenüber überlegen, welche möglichkeiten es gibt, damit du hier Menschenwürdiger Leben kannst.
Ich kenne dein Problem. Habe seit Jahren keinen Friseur gesehen. Da braucht es jemanden der einen sehr gut kennt und anbietet zu schneiten. Einfach nur jemand zu sich zu lassen, der zu Hause schneidet geht eben nicht, weil dieser fremd ist.
Nach außer sehen so lange Haare wie deine, super aus, doch sie bedeuten eben auch eine Menge Pflege. Pflege für du eben Hilfe brauchst. Es ist eben nciht nur ein Merkzeichen H auf dem Papier. Es wäre gut wenn auch entsprechend der Hilflosigkeit Hilfe gegeben werden könnte. Von Personen zu dennen du erst langsam vertrauen aufbauen müsstest, eh so was schweres wie Haarpflege möglich ist.
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26. Januar 2023 at 9:02
Ja, wie mach ich das?
Auch ich habe das Problem: Jemanden an meinem Körper lassen? Sehr schwieriges Thema! Das darf eigentlich nur einer – und das auch, je nach dem wie gut es mir geht, mit größeren oder kleineren Einschränkungen.
Ich habe lange Haare – wen wunderts? 🤨 Wenn sie zu lang sind, lasse ich sie mir von meiner Vertrauensperson hinten gerade abschneiden. Einmal „ratzt“. Nicht lange rummachen, ich trage sie eh als Pferdeschwanz oder geflochten.
Sauna, Massage, Nagelstudio? Mach ich nicht. Punkt.
Schminke hatte ich noch nie. Wem´s nicht passt, der soll mich nicht anschauen. Ganz einfach. Ich habe mir geschworen, dass ich mich NIE wieder wegen anderen Leuten verbiege.
Danke übrigens, dass du das Thema kPTBS öffentlich gemacht hast. Ich habe jetz auch auf meiner Seite angefangen darüber zu schreiben.
Ist noch im Aufbau und kostet viel Kraft. Vielleicht wird es ein Teil meiner eigenen Therapie? Mal sehen
Liebe Grüße, Sibylle
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26. Januar 2023 at 10:09
Vielen Dank für dein Feedback…
Ein Blog als Teil der eigenen Therapie… Warum nicht? 😉
Und wenn es nur für dich als Sichtbarmachung der eigenen Alltagskramgeschichten mit KPTBS dient.
Gefahr erkannt- Gefahr (noch nicht) gebannt….
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11. Februar 2023 at 13:12
Ich schneide mir meine Haare seit kurzem selber – hatte lange Jahre eine Friseurin, die zu mir nachhause kam. Das ging eigentlich ganz gut. Doch in letzter Zeit wurde es mit ‚ihrer Kunst‘ immer schlechter, bis sie mich vor einem Jahr derart verunstaltet hat, dass es mir jetzt reicht. Ich war wochenlang fix+fertig, wenn ich in den Spiegel gesehen hab. Zur Massage geh ich auch nicht mehr – möchte mich nicht mehr blöd anmachen lassen, dass ich ‚wieder hart wie ein Brett‘ bin. Als würde ich was dafür können! Alles Andere wie Fußpflege, Kosmetik mach ich auch selber. Und meine Zahnärztin hat sich die eigenen Zähne an mir ausgebissen, weil ich die regelmäßige prof.Zahnreinigung jetzt konsequent verweigere. Ist wie Folter für mich. Und mach ich auch so gut es geht selber.
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11. Februar 2023 at 14:34
Ist es nicht schrecklich, dass wir aus der Not heraus so abseits der fraulichen Normalität sind, hübsch und gepflegt aussehen zu wollen?
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11. Februar 2023 at 16:04
Ich bin zum Glück handwerklich ein bisschen geschickt und mit ein paar Tutorials in Youtube krieg ich oft selber viel hin. Ich bin auch stolz darauf, vieles selber zu können. Und es ist auch eine finanzielle Frage. Demnächst werde ich wieder in eine Klinik gehen, auch um Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Falls das durchgeht, ist das Geld dann noch knapper und ich spare von daher JETZT schon viel weg (Friseur ist schierer Luxus). Dass ich mich nich anfassen lassen möchte, ist aber sicher die Grundlage für meinen Weg.
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5. Mai 2023 at 13:09
Inzwischen habe ich gelernt, meine Haare selbst zu schneiden. Den Besuch eines Friseursalons ertrage ich eigentlich nur in einer Art Duldungsstarre. Obwohl ich in der glücklichen Lage bin, dass ich mir solchen ab und zu leisten könnte. Mich zu kämmen und so weiter ist mir möglich. Routine, Fawn (Stressreakion), und eine hintergründige Neigung zur Selbstbestrafung. Duschen ist problematisch. Aber es gibt ja Waschlappen.
Mein Gesicht trage ich weitestgehend „natürlich“.
Dass eine Massage, die länger als fünf Minuten dauert, Folter ist, weil sie mich dann völlig überreizt, kann niemand nachvollziehen. Die a…kalten Matten von Physioterapien sind eine Zumutung.
Auf einer Mutter-Kind-Kur, die für mich eine Katastrophe war, wurden bei mir Chi-Punkte im Ohr geprüft, also da wo es bei leichtem Druck mit einem spitzen Stab piekst, da ist der korrelierende Bereich im Körper verspannt. Da als einziges der Kontrollpunkt nicht reagierte (weil der das nie tut), hat der Therapeut aufgegeben. Ich war nämlich verspannt von oben bis unten. Mein Dauerzustand.
Verschiedene Erziehungsmuster, wie „erst alles andere, dann meine Bedürfnisse“ (welche habe ich eigentlich?), versuchter Selbstschutz, wie er bei Hochsensitivität besonders nötig wäre, ist „bösartige Verweigerung mir helfen zu lassen und so undankbar“, „um für mich eine Angenehmlichkeit oder Unterstützung zu erreichen, muss ich ein Opfer bringen“, „man kann mir nur deshalb nicht helfen, weil ich falsch und schlimm bin und auch noch so stur darauf beharre“, … stecken immer noch in mir drin. Wenigstens kenne ich sie inzwischen.
Ich bin über 50. Die meisten meiner Einschränkungen sind nicht offiziell diagnostiziert. Der Gedanke an einen Facharztbesuch löst die Angst in mir aus, dass ich nicht fähig sein könnte, mich gegen medizinische Zumutung zu wehren und der Abwehrversuch oder die Erduldung mir einen Zusammenbruch verpassen. Der Gedanke an einen Klinikaufenthalt löst einfach nur pure Panik aus.
Aber sonst geht es mir natürlich gut und alles ist in Ordnung.
Auf Blogs wie diesen zu stoßen ist mir eine echte Hilfe, um mich „normaler“ zu fühlen, weil da noch viele andere sind.
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5. Mai 2023 at 16:09
Hallo Ulrike…
danke für dein Feedback und den Einblikck in Deine Alltags-Problematik.
Solche Dinge sind selten dokumentiert bei Ärzten, da kommt man doch auch gar nicht drauf, denn das ist ja nix organischen, sondern Verhaltensproblematik.
Ich schneide auch die Spitzen selber, meine Haare sind ja so lang mittlerweile, dass ich mich fast draufsetzen kann. Grade isses allerdings nicht und ein Grundschnitt wäre dringend nötig.
Ich denke, ganz viele da draussen haben ähnliche Probleme…wir sind alles andere als Einzelfälle.
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5. Mai 2023 at 21:23
Mittlerweile – nach über einem Jahr ohne Friseurmassaker – sind meine Haare so schön wie sie früher in meiner Jugend mal waren. Keine Effiilierschere fräst mir das Volumen mehr raus – kein Messer kürzt mir die aufstehenden Nackenhaare. Ich schneide da was weg, wo sie es brauchen, mache mir mit einem Kamm einzelne Farbsträhnchen rein. Ich hab mir das alles selbst beigebracht und bin stolz drauf. Wenn die Haare mal eine bestimmte Länge haben, geht alles viel besser. Seid mutig, Mädls!!
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