Es gibt eine äusserst triggernde Serie im TV „The Handmaid´s Tale“.
Wer nicht einigermaßen stabil ist, sollte um diese Serie einen großen Bogen machen.
Ich bin es natürlich auch nicht, aber ich kann von sowas nicht die Finger lassen, ich sitze davor wie das Kaninchen vor der Schlange. Ich habe die Serie schon vor Wochen geschaut, meine Wohnbetreuung und Frank haben vergeblich versucht, mich davon abzuhalten. Immerhin habe ich mit Fernbedienung auf die triggerndsten Szenen aktiv reagieren können, trotzdem waren meine Nächte als Folge davon dann natürlich kurz und mein Alltag ziemlich angespannt.

Selbstschädigendes Verhalten ist schon kacke…besonders wenn ich es auch noch genau weiß und es trotzdem tun muss.

Eine kurze Zusammenfassung der Serie von mir:
In der nahen Zukunft gibt es einen Umsturz, die Gesellschaft wird straffer strukturiert nach Position, sichtbar an Kleidung und Aufgaben… und Frauen, die fruchtbar sind, werden als Haussklavinnen/unfreiwillige Leihmütter kinderlosen Elite-Ehepaaren zugeteilt.
Zuvor werden die armen Frauen in einem Ausbildungszentrum von bibeltreuen Lehrerinnen moralisch auf Linie gebracht…allerdings mehr mit Peitsche als mit Zuckerbrot.
Den Frauen wird systematisch die eigene Weltanschauung aberzogen und die vorherige Identität ausgelöscht. Jede Dienstmagd trägt nach Zuteilung den Namen des Hausherren, der sie an ihren fruchtbaren Tagen im Beisein der Ehefrau und der Bibel verg******* darf. Gibt’s nen Baby, wird die Dienstmagd nach dem Abstillen der nächsten Familie zugeteilt…. Diese Serie ist wirklich supertriggernd.

Mein Ansporn für diesen Beitrag ist jedoch nicht Rituelle Gewalt, obwohl diese Serie ein Paradebeispiel dafür wäre. Nein….mich hat beim Schauen der Serie was anderes angestochen, dass ich diesen Beitrag schreiben muss.

In Staffel 1, Teil 1, hat die Lehrerin etwas sehr bemerkenswertes zu den armen Mädels gesagt, was so richtig gesessen hat. Ich habe es mir sofort aufgeschrieben und seitdem liegt der Zettel auf meinem Laptop.

Normal ist nur das, woran man gewöhnt ist.
Das, was Dir jetzt nicht normal vorkommt, wird sich mit der Zeit ändern.
Es wird vollkommen normal sein….

Da latscht diese Hexe selbstgefällig durch die Reihen ihrer unfreiwilligen Schülerinnen und bringt das Lernziel und den Inhalt meines Blogs auf den Punkt.

Normalität ist Gewohnheitssache!

Machst Du etwas lange genug immer in der gleichen Art, wird es zur Normalität für Dich, egal wie schädigend und einschränkend es für Dich ist.
Du wirst Dich nach anfänglichem Widerstand nicht mehr dagegen wehren, Du wirst Dich damit abfinden und Dich immer weiter von dem entfernen, was für Andere normal ist und auch für Dich selbst vielleicht mal normal war. Du wirst es still und leise als Teil Deines Wesens akzeptieren lernen und in Deinen Alltag einbauen und neue Strategien damit entwickeln und in Dein Leben integrieren.

Mit (K)PTBS bilden wir uns täglich selber aus, auch mit Zuckerbrot und Peitsche.
Wehren wir uns gegen unsere Probleme und versuchen Grenzen aufzulösen, werden wir oft sofort mit Stress und Angst bestraft. Leisten wir hingegen keinen Widerstand und bleiben brav in unserer sicheren Zone, werden wir mit Ruhe belohnt.
Stress- kein Stress…. die Wahl fällt leicht!

Unsere Einschränkungen werden dadurch schleichend zu unserer Normalität, so sehr, dass wir glatt vergessen, sie aufzuzählen, wenn wir danach gefragt werden.
Das fällt mir nicht nur bei mir selber auf, sondern oft auch bei Mitbetroffenen, die sich mit den Ämtern um den GdB oder GdS rumstreiten. Die Gewichtung ist für uns dann auch nicht mehr soooo dramatisch, denn wir kennen es nicht (mehr) anders. Und je jünger wir waren, als das begann. desto weiter haben wir uns von der eigentlichen Normalität entfernt. Deswegen ist es für Viele auch so wahnsinnig schwer, die eigenen Probleme zu benennen, anzuerkennen und auch darstellen zu können.

Warum habe ich heute die Energie, diesen Beitrag endlich zu schreiben?

Wir haben gestern mittag den Umstand genutzt, dass wegen Corona und Feiertag die Innenstadt quasi wie ausgestorben war und ich grade motivierter bin, an meinen Gitterstäben zu rütteln.
Und so konnte ich das erste Mal seit 3 oder 4 Jahren tagsüber bis in das Zentrum der Einkaufszone vordringen.

Es hat sich dort soviel verändert, Geschäfte haben geschlossen oder neu eröffnet, es gibt komplett neue Gebäude. Karstadt schließt hier grade für immer die Tore, ich war zuletzt vor mehr als 10 Jahren drinnen.
10 Jahre kein Kaufhaus, keine Einkaufspassage! Das ist selbst für mich kaum vorstellbar!

Shoppen…das Gefühl kenne ich gar nicht mehr!
Losschlüren, Schaufenster angucken, in die Geschäfte gehen und einfach mal die Klamotten anfassen und auch anprobieren, was kaufen…hey, da ist nen Schnäppchen und noch ungeplant die Tasche dazukaufen und dann vielleicht nen Päuschen mit einem Stück Kuchen im Café und Leute beobachten und lästern…Am Arsch!

Das Schlimme ist (und das habe ich gestern nur gemerkt, weil ich in der menschenleeren Fußgängerzone stand und mir die Nase an den Schaufenstern plattdrückte), ich habe es bis gestern gar nicht mehr wirklich vermisst!
Ich habe mich daran gewöhnt, fast alles im Internet zu bestellen und z.B. jede Menge schlechtsitzende BHs zu haben, weil Unterwäsche eben nicht umgetauscht werden kann.
Meine Shoppingerlebnisse habe ich dezentral bei KIK, Action, Rossmann und LIDL, die haben nämlich den Parkplatz direkt vor der Tür…ich fahre da auch ohne Erwartungshaltung hin, da mir klar ist, dass bei dem beschränkten Angebot nicht immer was nach meinem Geschmack da ist und dann muss es ja auch noch passen. Häufig sind es einfach nur Zweckeinkäufe und wenig aufregend.

Obwohl gestern echt kaum ein Mensch in der Innenstadt war, mussten wir dann doch bald den Rückweg antreten…Zuviel Input für mich, zack, waren irgendwann die Sehstörungen und der Stress wieder nicht mehr zu unterdrücken. Schnell noch mit dem Auto nen Döner geholt und zuhause bin ich nach dem Essen dann sofort auf dem Sofa eingeschlafen. Gelaufen bin ich ca. 4000 Schritte, whow!

Gestern da in der Fußgängerzone wurde ich so richtig mit der Nase in die Scheiße gestupst..

Meine Normalität?
Ständig auf die Normalität zu verzichten und es noch nichtmal mehr zu wissen und zu vermissen!

Happy New YEAR

Rapunzel