Immer wieder begegnet mir die Frage im Netz oder bei Facebook…
Vor allem mit dem großen Selbstzweifel, ob man als psychisch Kranker überhaupt einen Antrag stellen kann…schlimmer noch, ob man einen Antrag stellen „darf“


JA, Ihr dürft!
Ja, Ihr könnt!

Lasst Euch nicht verunsichern, Anträge darf jeder in Deutschland stellen. Ob ein Pflegegrad dann vergeben wird, entscheidet der MDK…der Medizinische Dienst der Krankenkasse.

Der MDK entscheidet, also lasst Euch von so Klugscheißerchen, die meinen, ihre Meinung und Sichtweise im Internet JEDEM aufzwingen zu müssen, nicht abhalten.
Ich habe festgestellt, dass in Facebookgruppen Anderserkrankte sich wirklich herausnehmen, virtuell darüber zu entscheiden, welcher Pflegegrad psychisch Erkrankten zusteht…Und der ist fast immer zu niedrig angesetzt und tendiert zur Ablehnung. Ja, das erlebe ich immer wieder!

Das ist Anmaßung hoch zehn…ich habe es grade vor 2 Wochen verfolgen dürfen, dass einer Frau mit PTBS und Dissoziativer Konversionsstörung sogar ein Krankheitsgewinn untergejubelt wurde, als sie in einer themenbezogenen Facebookgruppe für Pflegeinfos nach einem Pflegegrad und dem Schwerbehindertenausweis, bzw. Parkausweis fragte.
Eine Superdupermöchtegernfachfrau empfahl statt Antrag auf einen Parkausweis eine Verhaltenstherapie…obwohl die Frau überwiegend im Rollstuhl sitzt….

Nachdem ich dieser dreisten Tussi virtuell auf die Finger gekloppt hatte, begründete sie IHRE Empfehlungen ganz beratungsresistent und uneinsichtig mit Meinungsfreiheit und einem Internet-Link zu dissoziativen Störungen.
Natürlich springen andere Besserwisser auch gleich immer auf den Zug auf und bestärken solche FEHLINFORMATIONEN auch noch.

Was denken sich solche Menschen eigentlich?
Dass eine Stunde Verhaltenstherapie wöchentlich die Probleme im Alltag von der ersten Stunde an auflöst?
Nein…diese Frau ist schwer traumatisiert, sie hat eine dissoziative Bewegungsstörung!
Sie kann nicht sofort aus dem Rollstuhl hüpfen, fröhlich um den Kochtopf springen, ihr Badezimmer zum Wellnesstempel umdekorieren und jeden Tag mit dem Wischmopp singend durch die Bude tanzen.

Dissoziative Störungen lassen sich nicht im Schnellverfahren heilen….
Sie wird wahrscheinlich auch noch nach der 30. Stunde kräftezehrender Verhaltenstherapie Probleme haben, ihr Leben selbstständig zu bestreiten und den Rollstuhl immer noch am Hals haben.

30. Stunde? Merkt Ihr was?
Wer rechnen kann, weiß, dass die 30. Stunde Therapie, frühestens in der 30. Woche nach Therapiebeginn stattfindet…wenn da noch Urlaub, Krankheit und geplatzte Termine zugerechnet werden, reden wir dann schon von ca. einem Jahr.

Ein Jahr, in dem diese kranke Frau definitiv weiterhin Hilfe und Unterstützung im Alltag benötigt…trotz evtl. begonnener Therapie!

Und deshalb steht dieser Frau nach den gesetzlichen Regeln von Schwerbehindertenausweis und Pflege zu, Anträge zu stellen und auch einen Schwebi, sowie einen Pflegegrad zu bekommen!
Aber die (falsche) Meinung der Superexperten bei Facebook ist natürlich absolut legitim.
Meinungsfreiheit/ Selbstdarstellung vs. Menschlichkeit/ helfender Information!
Zum Kotzen!!!

Das Allerschlimmste ist, dass aufgrund solcher Fehlinformationen in Facebookgruppen, ausgelöst durch Nichtgönnenwollen, Überheblichkeit und Wichtigtuerei, bedürftige Menschen tatsächlich davon abgehalten werden, sich Hilfe für den schweren Alltag zu holen. Und den pflegenden Angehörigen wird dadurch auch die Unterstützung versagt.

Also holt Euch die Anträge, wenn Ihr schon in großem Maße im Alltag auf Hilfe durch Partner/ Familie angewiesen seid!

Für eine erste unverbindliche Einschätzung gibt’s online auf einer Infoseite sogar einen Pflegegrad- Rechner.

Beim Erstantrag habe ich 2008 die mickrige Pflegestufe 0 mit Eingeschränkter Alltagskompetenz auch nur nach Widerspruch bekommen…da muss man leider manchmal schon etwas um sein Recht kämpfen mit dem MDK.
Lasst Euch also nicht sofort entmutigen, falls Ihr abgelehnt oder zu niedrig eingestuft werdet. Wichtig sind nicht die Diagnosen, sondern der tatsächliche Hilfebedarf, welcher nachvollziehbar sein muss und möglichst auch belegbar durch Arztberichte sein sollte.

Mittlerweile habe ich z.B. Pflegegrad 3.

Eure Rapunzel