Mein Freund stellte vor ein paar Tagen fest: „Ich wusste gar nicht, dass Du so ein Kelly- Fan bist“
Wie kam es dazu?
Ich höre im Moment die Kelly Family fast rund um die Uhr zur Beruhigung…als Skill, wenn die innere Anspannung steigt.
Und das hat einen tieferen Grund….und der liegt fast 40 Jahre zurück.


ein_vogel_kann_im_kaefig_nicht_fliegen_alle_kinder_brauchen_freunde_child1980 schenkte meine Oma mir eine Musikkassette von der Kelly Family.
Ich hatte mir sie gewünscht, weil „Davids Song“ mir so gut im Fernsehen gefiel.
Leider war aber das Lied nicht auf der Kassette. Sie war überhaupt nicht das, was ich mir vorgestellt hatte… Es waren Volkslieder auf deutsch gesungen…sowas will ein Teenie nicht hören.

Doch dann kam der Wandel….mit einem Lied!

Die Kellys sangen von dem, was so erschreckend zu meiner Biografie passte….
Sie gaben meinem Verhalten und meinem inneren Kampf mit dem Lied „Ein Vogel kann im Käfig nicht fliegen“ plötzlich eine Legitimation.
Der Text traf mich mit voller Wucht….

Ein Vogel kann im Käfig nicht fliegen,
Ein Vogel braucht zum fliegen die Freiheit.
Doch ein Vogel kann singen
Und sein Lied macht ihn frei

Denn was seinem Vogel auch geschieht,
Immer bleibt ihm sein Lied.
Ja was einem Vogel auch geschieht,
Immer bleibt ihm sein Lied.

Manches mal sperrt man ihn im Käfig ein,
Er ist klein und er kann sich nicht befreien.
Doch ein Vogel kann singen
Und sein Lied macht ihn frei.

Denn was einem Vogel auch geschieht,
Immer bleibt ihm sein Lied.
Ja was einem Vogel auch geschieht,
Immer bleibt ihm sein Lied.

Und manchmal im Leben geht es auch dir so,
Du glaubst du bist von der Welt vergessen
Und von den Menschen verlassen.
Und du fühlst dich wie ein Vogel im Käfig
Der nicht fliegen kann.

Doch ein Vogel kann singen
Und sein Lied macht ihn frei.
Denn was einem Vogel auch geschieht,
Immer bleibt ihm sein Lied.

Ich habe mich jahrelang aus der Wohnung des Täters ins Treppenhaus geflüchtet, wenn ich konnte….und dort zur Selbstberuhigung Lieder gesungen…

Dieses Liedersingen war dank der Kellys auf einmal vollkommen ok!
Meine Strategie war ok- Ich war ok!
Ich war plötzlich nicht mehr alleine und nicht das einzige Kind mit Problemen und Angst…

Die Kellys haben damals, ohne es zu wissen, mir in vielen schweren emotionalen Momenten Halt gegeben mit den Liedertexten dieser Kassette.

Ich habe mich mit ihrer Kassette in ihre Welt gebeamt…
-Raus aus meiner traumatisierten Welt, wo ich niemandem sagen konnte, was los ist.
-Rein in ihre heile Familienwelt, in der Kinder beschützt waren und nie allein.

Dann verschwanden die Kellys aus den Medien und auch aus meinem Leben.
Die Kassette behielt ich aber trotz der Änderung meines Musikgeschmacks.

1990 hatten die Kellys dann ein Straßenkonzert 30m von dem Geschäft entfernt, in dem ich damals arbeitete. Ich hab es erst kurz vor dem Auftritt zufällig mitbekommen.
Eine Aushilfe hatte ihren ersten Tag zum Einarbeiten… ich habe sie mit dem Laden alleine gelassen. Wäre ich alleine im Laden gewesen, hätte ich einfach abgeschlossen. Mir wäre selbst eine Kündigung egal gewesen.

Aufgeregt habe ich auf den Auftritt gewartet, doch wie groß war meine Enttäuschung, dass die Kellys ganz anders waren, als ich das gedacht hatte.
Ja, auch die Kellys waren natürlich älter geworden und sie hatten neue Lieder.
Ich war einfach mit meinem Kopf in der alten Zeit und der Kassette stehengeblieben.
Ich habe dann verzweifelt versucht, die Gesichter von meinem Kassettencover den jetzt real vor mir stehenden  Personen zuzuordnen. John war kein Junge mehr, sondern ein Mann, die Kleinen waren auch größer….der Vater älter und die Mutter nicht mehr dabei.
Und die Verbundenheit, die ich zu ihnen als Teenie geknüpft  hatte, hatten sie natürlich nicht zu mir. Sie kannten mich ja auch gar nicht.
Ich habe mich aber auch nicht getraut, sie anzusprechen, dafür war ich zu feige.
Ich habe also in der kleinen Menschenmenge seitlich von der Bühne gestanden und unbemerkt von allen Anderen um mich herum mein kleines Waterloo in mir ausgefochten…Vergangenheit vs. Gegenwart/ Traum vs. Realität

Der große Hype um die Kellys in den 90ern war dann so gar nicht meins.
Ich konnte mich damit überhaupt nicht identifizieren, weder mit den Liedern, noch mit den Outfits, geschweige denn mit den Bühnenauftritten.
Ich bekam auch manchmal Wut, wenn ich sah, dass sie sich so weit von meiner Traumwelt aus der Vergangenheit entfernt hatten.

Nur „Davids Song“ konnte mich immer wieder packen, wenn er mal im Radio gespielt wurde….das war wie Emotionen auf Knopfdruck.

Die erste „Annäherung“ zwischen den Kellys und mir kam erst wieder zustande, als ich vor 5 Jahren auf Youtube das Lied „Children of Kosovo“ mit dem sehr ergreifenden Video gesehen habe. Ich war schon vor dem Krieg im Kosovo und habe in Kriegszeiten um Menschen gebangt, die dort ausharren mussten und die ich gut kannte.
Dieses Video benutze ich seitdem als Skill zum Druck ablassen durch Weinen, wenn ich mich mal wieder fühle wie ein Dampfkessel kurz vorm Explodieren. Ihr wisst, was ich meine….

Die Kellys schaffen das als einzige …sie können mir mit Liedern Emotionen abringen, die ich alleine nicht abrufen kann…

Vor 2 Wochen war die Gutachterin hier und ich bin seitdem wieder mal total am Boden…und die Kellys laufen jetzt hier rund um die Uhr, um mich zu beruhigen.
Deswegen auch das Statement meines Freundes, dass ich ein Kelly-Fan bin. So sehe ich mich aber gar nicht. ich sehe sie als helfenden Teil meiner Traumageschichte.

Grade jetzt , wo durch das OEG- Verfahren all die alten Erinnerungen und die schlechten Gefühle wieder aufgewühlt werden, kommen auch die Kellys zurück auf die Bühne.
Es soll wohl so sein…

Derzeit schaue ich mir alles an, was die Medien so zu bieten haben an Infos zu den Kellys…zu ihrer Familiengeschichte, zu ihrem Leben heute….zu ihrer familiären Verbundenheit…und heute wäre ich wieder gerne ein Teil dieser Familie.
Michael Patrick Kelly und Maite gehen eigene Wege, doch John, Patricia, Jimmy, Joey, Kathy … sie stehen wieder zusammen auf der Bühne für die alte(n) Familie(nbande).
Ich habe die Aufzeichnung von dem Konzert in Dortmund gesehen und mich hat emotional fast der Schlag getroffen, wie sie mit Hilfe von „Davids Song“ Vergangenheit und Gegenwart miteinander verbunden haben.

Ich war in meinem Leben noch nie ein typischer Fan vor irgendeiner Sängerin oder einem Sänger, aber ich träume sogar heute mit 50 noch manchmal von den Kellys, dass ich sie treffe, sie mich vollkommen unvoreingenommen mit an ihren Tisch nehmen, mich an der Familie teilhaben lassen…

Beim Traum wird’s allerdings bleiben, ich werde nie zu einem Konzert gehen können.
Die Menschenmassen, die Lautstärke, die Lichteffekte…das machen Kopf und Körper nicht mit.
Alles was ich habe, sind die Videos im Internet…und ich bin dankbar dafür, dass die Kellys, ohne es zu wissen, grade in dieser, für mich wieder sehr schweren Zeit, wieder da sind und mich beruhigen wie vor fast 40 Jahren.

Hier das Lied….


<p><a href=“https://vimeo.com/56504993″>Ein Vogel kann im K&auml;fig nicht fliegen</a> from <a href=“https://vimeo.com/user15545550″>Raphael Kunz</a> on <a href=“https://vimeo.com“>Vimeo</a&gt;.</p>