„Himbeere“ ist wahrlich die Allererste, die meinem Ruf gefolgt ist und ihre „PTBS-Biografie“ für alle Leser auf meinem Blog zur Verfügung stellt.
Ich finde es mutig, sich stückweise zu offenbaren und aus der absoluten Anonymität des stillen Lesens eines Blogs herauszutreten und Kontakt aufzunehmen.
Merci dafür, meine Liebe!
Ich denke, es ist wichtig, der Gesellschaft zu zeigen, dass unsere Geschichten und die Folgen unterschiedlich und doch so ähnlich sind…und dass es trotz allem guten Willens und aller Anstrengungen jeden Tag ein Kampf ist, ein Stückchen Normalität leben zu können.
Viele im Umfeld denken, wir sind nicht motiviert genug, zu willensschwach, zu wehleidig. zu sehr der Vergangenheit zugewandt…
Die PTBS- Biografien könnten das widerlegen und der Welt zeigen, dass wir sehr viel Kraft für unseren Alltag aufwenden, nicht aufgeben und nach jeder Chance greifen, die sich uns bietet, um unsere Gesundheit und unser Leben zu stabilisieren.
Einige schaffen es…andere eben nicht….
Und wir könnten die Schwachstellen im System aufzeigen, wo uns eher Steine in den Weg gelegt werden, als dass uns geholfen wird
Ob Betroffene oder Angehörige…den Fragenkatalog findest Du hier.
Also scheut Euch nicht…schickt mir Eure „Story“ an Rapunzel@ptbs.blog
Mein Pseudonym ist die Himbeere. Ich bin knapp 41 Jahre alt, verheiratet & habe 2 Schulkinder. Ich habe auch einen Blog seit April diesen Jahres. https://himbeersplitter.blogspot.de
a) Was ist Deine Geschichte?
Kurz & sachlich:
Notkaiserschnitt wegen mehrfacher Nabelschnurumschlingung um den Hals (1977), danach mit 2 wöchiger Pause Klinikaufenthalt wegen Magenpförtnerkrampf bis zur vollendeten 12. Lebenswoche (ohne Mutter oder Eltern, die durften nicht zu mir, wechselnde Betr.personen, schmerzhafte Behandlungen etc.)
SMB durch Vater mit 10 Jahren (nur einmal, jedoch gewaltvoller Wdh.versuch, den ich abwehren konnte), Mutter war verreist für 10 Tage
Aufwachsen/ Leben in einem Familienkonstrukt, welches darauf ausgerichtet war, dass es meinem Vater gut geht (Alk.probleme, sowie Prbl. mit Depressionen)
Hohe Abhängigkeit von meinen Eltern bis letztes Jahr. Trennung im Sommer 2016. Gesprächsangebot an meine Eltern im Sommer diesen Jahres im Beisein einer Mediatorin. Wurde nach 3 Wochen Bedenkzeit von meinen Eltern abgelehnt. Seither Verschlechterung meines Zustandes mit ansteig. Suizidalität. Nov. 2017 Beantr. eines Klininaufenthaltes. (Wollte ich nie machen. Meine Kids nicht solange allein lassen.)
b) Wie war Dein Weg bis zur Diagnose?
Nach/in der Dekompensationsphase: Rettung 5 vor 12. Eine Freundin und die von ihr empfohlene psychotherapeutische Ärztin taten sofort genau das Richtige: Zupacken! Sonst wäre ich dem Leben entglitten.
Diag.: kPTBS, dependente Pers.störung., rez. Depr., Tinnitus aurium, somat. Störung
c) Und was bedeutet die Diagnose im Alltag für Dich?
Du wirst lachen: Lange nicht so krass, wie bei Dir. Ich gehe sogar noch std.weise arbeiten! Aber nur weil das Umfeld zu 100% stimmt und ich von Kollegen und meinem Chef „getragen“ werde. Derzeit mit AU daheim zum „Kraft tanken“.
Also ich bin eins von diesen „Weicheiern“: Ich kann sogar noch die Öffis nutzen. Aber es kostet mich zusätzlich Energie und ich nehme lieber mein Auto.
Sonst Schwindel, Schmerzen irgendwo im Körper (wechselt munter), Tinnitus, Übelkeit, Durchfälle, Konzentrations- und Merkstörungen, Flashs, Herzrasen, Albträume…
Ich bin energie- & kraftlos. Brauche viele Ruhepausen. Bin schnell überfordert mit Kleinigkeiten. Fühle und lebe als Kind (wechselnden Alters) im erwachsenen Körper einer Frau – meiner Hülle.
d) OEG- wann hast Du davon erfahren?
Ausgedruckt. Mühsam ausgefüllt. Liegt, wo es liegt. Weiß nicht, ob ich es je losschicke. Der schlimmere Batzen ist bei mir einfach das frühe Entwicklungstrauma. Das hat mit dem OEG nichts zu tun.
e) Was wünschst Du Dir an Verbesserungen?
Diese kack Stundenbegrenzung in der Psychotherapie gehört ins „Geschichtsbuch“! Im Grunde ist es eine Falschauslegung der Psychotherapeutenvereinbarungen. Bei einer OP am offenen Herzen geht der Chirurg doch auch nicht einfach vom Tisch, um erst nach 2 Jahren wieder zu kommen. Inzwischen liegt der Patient da mit halb angenähter Herzklappe? Ach nein, DAS ist ja SICHTBAR!
Unsere Erkrankungen sind unsichtbar – da kann man mal 2 Jahre wegschauen.
(Ich weiß noch nicht, was ich damit tue… 2 Jahre Pause *igitt*. Doch Suizid. Geil! 😦 )
f) ungefragt:
Ich habe immer mal wieder reingeschaut in Deinen Blog. Bin über „PTBS“ und „Blog“ in der Suchmaske reingestolpert. Fand Deinen Aufhänger mit Rapunzel und Turm witzig. Habe gelesen. Habe dann gestoppt. Die Chronifizierung Deiner Beschwerden auf Deinem Weg hat mich „gestört“. DAS will ich nicht für mich. (Du sicher auch nicht, aber es ist so.)
Ich musste für mich erstmal dazu Distanz schaffen. Dann weiter gelesen.
Ich mag Deine lockere und witzige Schreibe. So manches mal musste ich schmunzeln oder lachen. Du bist ne Hübsche. Auf dem Foto (wo ihr zum Mittelaltermarkt seid) siehst Du viiiel jünger als 50 aus…! *wow*
Herzliche Grüße von Himbeere und ihren Himbeersplittern
3. Dezember 2017 at 11:35
Danke, liebe Rapunzel…
ich habe gestern Abend ziemlich lange die Seite gesucht, wo Du all diese Geschichten gesammelt hast. Nix gefunden – ach, egal. Schickst Du ihr mal trotzdem was zu…
Jetzt sehe ich, dass ich die Erste bin! *WOW*
Kämpft weiter & bleibt aufrecht – Eure Himbeere
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3. Dezember 2017 at 15:01
Ja, Du bist die Erste…
und ich hoffe, jetzt werden Andere auch den Schritt wagen…
und dann gibt’s eine neue Kategorie 😉
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4. Dezember 2017 at 9:05
Danke für Deine offenen Worte, ringe mit mir auch zu schreiben.
Traue mich aber (noch) nicht.
Wie sich unsere Lebensläufe doch ähneln, ich schaue mir Deinen Blog
mal an Himbeere.
Schicke Dir ein großes Kraftpacket
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4. Dezember 2017 at 9:56
Hallo Himbeere,
es tut mir sehr leid, dass du so viel Schlimmes erlebt hast und ich hoffe, dass du deine Therapie so lange machen kannst, bis es dir besser geht!
Ich weiß nicht, woher das Gerücht kommt, dass man die Therapie für zwei Jahre unterbrechen muss. Es gibt nämlich gar keine „Zwei-Jahres-Frist“. Das steht hier:
http://www.gegen-missbrauch.de/spezielle-informationen.html
Klicke, um auf RP7_8_Psychotherapie_S329f-1.pdf zuzugreifen
http://www.initiative-phoenix.de/2-jahres-frist.html
Und hier ist noch ein Rat von der Traumatherapeutin Michaela Huber aus ihrem Buch „Wege der Traumabehandlung“:
„Mein Tipp – und ich weiß, dass ich mich damit bei den Krankenkassen-Gutachtern nicht beliebt mache: Solange eine solch unzureichende Kassenfinanzierung der erforderlichen Behandlung von Langzeittraumata existiert, kann die TherapeutIn in einem solchen Fall einen – natürlich gut zu begründenden – besonderen Antrag stellen. Es gibt nämlich eine ‚Sonderfallregelung‘, nach der im Einzelfall auch weit mehr als die 80 bis 120 Stunden Psychotherapie bewilligt werden können. Dies zu tun ist auch ein Politikum: Es zeigt, wie groß der Bedarf ist. Schließlich geht es bei komplex traumatisierten Menschen nicht um irgendwelche ‚Neurosen von Reichen‘, sondern es ist ihnen massives Unrecht geschehen, das ihre Arbeitsfähigkeit (und damit ihre Fähigkeit, Geld zu verdienen) in der Regel erheblich beeinträchtigt hat. In einer demokratischen Gesellschaft mit dem Anspruch, eine ‚Solidargemeinschaft‘ zu sein, sollten Gewaltüberlebende wahrlich das Recht haben auf eine adäquate kassenfinanzierte Behandlung.“
Michaela Huber gibt in diesem Buch auch noch folgende Tipps:
„Die KlientIn stellt einen Antrag beim ‚Weißen Ring‘ und erhält eine Summe an Unterstützung, die sie zur Therapiefinanzierung verwendet.“
„Die KlientIn stellt einen Antrag beim zuständigen Versorgungsamt nach dem ‚Opferentschädigungsgesetz‘ (OEG). Hier kann sie, vorausgesetzt sie wird anerkannt (was dann erheblich leichter geht, wenn sie den Täter angezeigt hat und dieser auch verurteilt wurde), Hilfen zum Lebensunterhalt sowie die Therapiekosten bis zu maximal 300 Stunden bewilligt bekommen.“
Herzliche Grüße
Sylvie
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4. Dezember 2017 at 10:39
Hallo Himbeere, ich wollte dir nur sagen, sei tapfer und mach weiter. Ich gehöre ebenfalls zu den komplexen PTBSlern und kann alles sehr gut nachvollziehen. Seit dem Frühjahr 2017 gibt es eine neue Richtlinie, was die Psychotherapie angeht. Diese 2 Jahres Frist gibt es so nicht mehr. Jeder Psychotherapeut muss eine Notfallsprechstunde anbieten, die in der Regel 5 Sitzungen beinhaltet. Ich habe das auch erst vor kurzem erfahren. Was die „Chronifizierung“ angeht, ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen, aber viele Dinge werden nicht weggehen. Ich erkläre das immer damit, das alles was einem angetan wurde, sich nicht nur in das Gehirn einbrennt, sondern auch in den Körper. Er wird es nicht vergessen und man kann nur lernen damit umzugehen. Ich bin eine von denen, die immer wieder schwer traumatisiert wurde und mit der Zeit wird es einfacher.
Vielleicht schreibe ich demnächst auch meine Geschichte, aber es ist soviel, das ich nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Ich danke dir auf jeden Fall für deine Geschichte!
Liebe Grüße
Nike
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4. Dezember 2017 at 14:24
Vielen Euch allen für die lieben Zuschriften hier! 😘
…bei allem was da war: Es gab auch viel Schönes. Ich bin ja nun mal keiner der „Klassiker“, die vom Jugendamt raus geholt werden mussten. Alles war subtil und versteckt.
Und ich habe auch Glück! Viel Glück mit all den Menschen, die mich jetzt auf meinem Weg begleiten. Die hätte ich sonst nie kennen gelernt.
Ich danke für die Infos zur „2-Jahresfrist“. Davon abgesehen gibt es ein Versprechen zwischen meiner Therapeutin und mir: Ich bleibe im Leben. Dafür bleibt sie so lange an meiner Seite, wie ich sie brauche.
(Dieses Versprechen hat für mich unschätzbaren Wert!)
Traut Euch ans Licht mit Eurer Geschichte!
Prf. Dr. Franz Ruppert sagt: „Die Wahrheit bringt das Grauen zum Verschwinden.“
Brecht Euer Schweigen! Egal wie sehr es Euch eingebläut wurde. Redet. Schreibt. Raus damit!
Benutzt Pseudonyme, ändert Kleinigkeiten ab, damit ihr Euch sicherer fühlt, aber schweigt nicht länger…
Alles Gute und viel Glück für Euch alle und auf Euren Wegen – Eure Himbeere
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4. Dezember 2017 at 14:25
Da fehlt das Wort DANK in Zeile 1… *sorry*
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5. Dezember 2017 at 22:14
Boa, VOLL schwere Fragen. :-O
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