Ihr/ Ich
Häh? Was hast Du gesagt?
Neee! Hast Du mir gar nix von erzählt!
Weiß ich nicht mehr…

Partner und Umfeld
Hallo! Ich rede mit Dir!
Kannst Du mir mal zuhören?
Bist Du schwerhörig?
Wie? Du hast den Termin vergessen?
Das habe ich Dir gestern gesagt!
Da haben wir grade drüber gesprochen!


Na? Wer kennt das?
Das Umfeld spricht und wir vergessen oder bekommen es gar nicht mit.

Bei uns zuhause spitzt sich die Situation grade zu….
Fast jeden Tag fällt mindestens einer der Sätze da oben.
Er wird genervter und ich schuldbewusster.

In den letzten Wochen empfinde ich es als immer störender….Ich kann mir nix merken!
Dabei hatte ich früher ein Gedächtnis wie ein Elefant und ein besonders gutes Kurzzeitgedächtnis, was meiner Lernfaulheit immer sehr entgegenkam.
Ich war eine Festplatte auf 2 Beinen!
Manchmal war das äusserst nützlich, aber grade in Hinblick auf diverse traumatisierende oder unschöne Momente hätte ich mir früher ein schlechteres Gedächtnis gewünscht.

Lange Zeit habe ich seit Ausbruch der PTBS Arbeitslisten und PostIts genutzt, um wichtige Dinge nicht zu vergessen. Jetzt vergesse ich schon unmittelbar danach, dass ich mir was aufschreiben wollte. Und wenn ich es aufgeschrieben habe, dann weiß ich nicht mehr, wo der Zettel liegt.

Ich weiß, ich habe jetzt im Mai mehrere Termine…Sozialamt, Krebsvorsorge, Psychiaterin….aber ich habe keinen blassen Schimmer, wann….

Da Demenz und Alzheimer in aller Munde sind, verstärkt das meine Befürchtungen, dass ich eine potentielle Kandidatin dafür bin…
Sind das schon erste Anzeichen?
Oder liegt es vielleicht an den ganzen Medikamenten?

Mein Partner denkt häufig, dass ich keine Lust habe, mich mit ihm zu unterhalten oder es mich nicht interessiert, was er zu sagen hat.

Tatsache ist, dass ich oft viel zu spät mitbekomme, dass er mit mir spricht…
„Bitte?“ ist wahrscheinlich eins der meistgesprochenen Worte am Tag, denn ich kriege es oft erst am Ende seiner Ansprache mit, dass er was gesagt hat. Vorher überhöre ich es im wahrsten Sinne des Wortes…seine Stimme dringt nicht durch zu mir.
Das sorgt für Frust auf beiden Seiten.

Nicht dabei bleiben, abwesend sein, unkonzentriert sein oder zu fixiert auf etwas anderes… Wäre ich ein weißhaariger Professor, eine ergraute Oberstudienrätin oder ein chaotischer Wissenschaftler, dann wäre der nonchalante Oberbegriff für diesen Zustand “ Zerstreutheit“.

Mein Zustand hat aber damit wenig zu tun, letztendlich ist es auch eine Form der Dissoziation, die Gesunde ebenfalls in leichterer Form kennen.
Wenn das Thema im Meeting nicht interessiert, dann vermischen sich die Worte der Kollegen zum gedämpften Stimmengemurmel und dann schaut man aus dem Fenster und träumt vom Urlaub oder überlegt, was man zuhause noch an Bügelwäsche abzuarbeiten hat. Und irgendwann klinkt man sich wieder in der Gegenwartssituation ein, sei es, weil man zu Ende geträumt hat oder ein Kollege vielleicht Einen vielleicht namentlich angesprochen hat.

Angehörige dürfen es sich so vorstellen, dass das Gehirn eine Festplatte ist und ich eine ausserordentlich gut funktionierende Firewall habe.
Oder dass von einer dreispurigen Autobahn in meinen Kopf rein zwei grade voll gesperrt sind und sich auf der dritten Spur alle Informationen an einer Mautstation stauen.
Priorität haben sämtliche Informationen, die mein Nervensystem über meinen Körper liefert, zusätzlich wird die Umgebung auf Gefahrensituationen gescannt, fleißig bewertet und Lösungen gesucht.
Und mein Gehirn entscheidet selber, wieviel Kapazität es noch zur Datenverarbeitung hat und welche Informationen aufnehmenswert sind. Der Rest wird einfach abgeschmettert.

Ich kann das nicht steuern…und Ihr ebenfalls Betroffenen wahrscheinlich auch nicht.

Begegnen können wir dem etwas, indem wir Achtsamkeitsübungen machen und uns im „Hier und Jetzt“ zu halten versuchen…aber das wird nicht immer klappen.
Und wenns mal wieder zu arg wird, dann denkt an diesen Beitrag und fühlt Euch nicht so schuldig…

Wenn Ihr es bis dahin nicht wieder vergessen habt 😉

Eure Rapunzel