Die meisten Traumatherapien sind auf Monotrauma ausgelegt, so dass Betroffene mit Entwicklungstrauma häufig in den Therapien keine Verbesserung erfahren und sich oft sogar noch schlechter fühlen.


Die fachliche Beschreibung zu den Unterschieden zwischen Monotrauma (Traumatyp 1) und Entwicklungstrauma (Traumatyp 2) ist leicht zu ergoogeln, weshalb ich mich hier jetzt nicht in die Materie vertiefen werde.

Monotrauma = einmaliges Schockerlebnis
Entwicklungstrauma = mehrfache Schockerlebnisse seit der Kindheit, teilweise über Jahre,
dazu gehören Vernachlässigung, Mobbing, Missbrauch, etc.

Ich möchte das Erlebte der PTBSler mit Monotrauma nicht schmälern, auch diese Betroffenen haben extremst mit den Folgen des Erlebten zu kämpfen und vielleicht sogar mehr mit der Akzeptanz und dem dauerhaften Verständnis des Umfeldes…denn ein Erlebnis wird doch wohl mit der Zeit zu therapieren und zu heilen sein…und schließlich erkennt man den Betroffenen doch kaum noch wieder.
Wo ist der Mensch geblieben, der vorher so stark, so lustig, so verlässlich und fit war?

Die positive Nachricht: Monotraumata sind behandelbar, sie sind heilbar, sie werden schneller erkannt und schneller behandelt. Die Kliniken und Traumatherapeuten können Betroffenen die passenden Übungen und Hilfestellungen geben, mit dem Erlebten besser klarzukommen.

Entwicklungstraumata gehen aber fast immer einher mit Persönlichkeitsstörungen und vor allem ziemlich krassen Verhaltens- und Bewertungsveränderungen.
Entwicklungstraumata verändern auch die biochemischen Vorgänge im Körper und sind sogar via Kernspin im Gehirn nachweisbar.
Betroffene mit Entwicklingstraumata haben in der Regel eine Odyssee hinter sich, überhaupt die passende Diagnose zu bekommen. Die PTBS ist chronisch und komplex.
Und bei der Behandlung wird’s dann ganz traurig, viele Kliniken und Therapeuten trauen sich die Behandlung nicht zu oder haben nicht das passende Therapieangebot.

Es macht in meinen Augen wenig Sinn, das Erlebte immer wieder durchzukauen und gefühlsmäßig in die Situationen reinzugehen. Da lässt sich nicht viel integrieren, denn vieler Gefühle und Erlebnisse sind wir uns gar nicht bewusst. Wir waren zu jung oder können uns nicht vollständig an die Situationen erinnern, weil der Körper als Schutzmaßnahme die Dissoziation gewählt hat.
Wir haben über langen Zeitraum Konzepte zum Überleben entwickelt, da wir in dem Alter keine anderen Abwehrmechanismen zur Verfügung hatten.

Fight – Flight – Freeze
Kämpfen – Flüchten – Einfrieren / Erstarren

Kindern, denen im häuslichen Umfeld schlimme Dinge passieren, können nicht kämpfen oder flüchten.
Sie lernen, das es keinen Ausweg gibt aus der bedrohlichen Situation und sie lernen, dass sie diese Dinge aushalten müssen, dass es keine Grenzen gibt, keine Sicherheit, keine Rettung…
Sie kappen zum Überleben die Verbindung zu ihrem Gedächtnis und auch zu ihrem Körper, um den Schmerz und die Angst nicht bewusst ertragen zu müssen.

Leider greift das Gehirn auch im späteren Leben immer wieder auf diese Überlebensstrategie zurück, auch wenn es gar nicht nötig ist. Und der Kontakt und die Verbindung zum eigenen Körper bleibt meistens gestört.
Viele Betroffene sind komplett abgeschnitten von ihrem Körper und ihren Gefühlen.

Sie entwickeln Persönlichkeitsstörungen, die ihnen das Leben im Alltag deutlich erschweren und immer wieder zu Konflikten mit dem Umfeld führen.
Sie werden zu Narzissten, Borderlinern, Schizoiden, Histronikern, Depressiven  oder Antisozialen…und viele landen in der Sucht…Tabletten, Drogen, Alkohol.

Für die Betroffenen gibt es nur ihre eigene Sichtweise. Ihr Blickwinkel auf alles um sie herum und auf sich selbst ist der einzig wahre. Das Leben hat sie das gelehrt.
Und selbst wenn sie schon wissen, dass da was nicht stimmt mit ihrem Verhalten und Bewertungssystem, können sie sich schwer davon befreien.
Und bevor das Innere nicht stimmt, gibt es kaum Chancen, das Äussere anders zu sehen und zu bewerten, geschweige denn, das Trauma zu integrieren oder die eigene Geschichte nochmal neu zu schreiben.

Und genau da müsste die Therapie ansetzen!
Die Betroffenen müssen lernen, innere Zustände in Gefühle einzuteilen, Gefühle überhaupt zu erkennen und benennen zu können und sie müssen lernen, dass diese Gefühle nicht falsch sind und sie dann auch zuzulassen.
Sie müssen lernen, dass ihr Körper auch zu ihnen gehört, dass sie die Kontrolle über ihn bekommen können, dass körperliche Symptome nicht automatisch Gefahr bedeuten.

Betroffene müssen sich selbst kennenlernen und das an Entwicklung nachholen, was so brutal im Kindesalter unterbrochen wurde.
Sie müssen lernen, Vertrauen in sich selbst und ihre Fähigkeiten zu bekommen. Sie müssen daran erinnert werden, welche Ressourcen ihnen zur Verfügung stehen und dass sie trotz allem ein wertvoller Mensch sind.
Ein Mensch, der so sein darf, wie er ist, solange es keine Verbesserung oder Heilung gibt.

Die klassische Traumatherapie schießt da komplett am Ziel vorbei.
Es bringt doch nichts, dem Körper und dem Geist wiederholt in Sitzungen alles in Erinnerung zu rufen, was da war. Das weiß der Körper und die Seele…nur das Bewusstsein sperrt sich dagegen…
Da gibt’s nicht viel zu integrieren, solange der Betroffene sich nicht sicher fühlt und sich selbst nicht akzeptiert, wie er ist.

Reden wir mal Tacheles: Viele Betroffene werden durch die Traumatherapie weder geheilt, noch geht’s ihnen besser. Im Gegenteil, vielen geht’s schlechter. Sie werden wieder instabiler, sobald Erinnerungen mühselig hervorgekramt werden.

Die Kliniken erwarten völlig unlogisch Stabilität der betroffenen, um überhaupt zur Traumatherapie zugelassen zu werden.
Stabilität, die Persönlichkeitsgestörte eigentlich nicht haben.
Woher denn auch?
Die Instabilität begleitet sie seit der Kindheit. Oder kommt erst im Erwachsenenalter zu Tragen durch Schlüsselerlebnisse oder Retraumatisierung.

Meine persönliche Meinung ist, dass wir Betroffenen eine ganz andere Art der Therapie brauchen…eine Therapie, die nicht die Traumata hervorkramt und im Hier und Jetzt wieder sämtliche biochemischen Vorgänge aktiviert.

Wir brauchen körpernahe Therapie, die uns zeigt, dass unser Körper uns trägt, egal wie schwer das Drumherum ist. Dass wir unseren Körper spüren, Bodenhaftung bekommen und Symptomen wie Herzrasen, Schmerzen, Zittern, etc. nicht mit Angst begegnen.

Traumatherapie ist für mich das Aufspüren und Auflösen von falschen Glaubenssätzen, Stärkung des Selbstbewusstseins, Abbau von Schuldgefühlen und Selbstabwertung, Stoppen von Selbstbestrafung und vor allem viel Körperarbeit

Meine Wunschtherapie und Wunschklinik für Komplex Traumatisierte?

Eine Klinik in  der Nähe einer Großstadt, …mit Tieren, denen wir risikolos Zuneigung zeigen können, mit Ergotherapie, bei der wir auch was Wertvolles leisten und stolz auf die Ergebnisse sind.
Spätestens nach dem 3. Bild oder dem 5. Seidentuch ist bei mir nämlich Feierabend mit dem Stolz und ich denke, ich bin im Kindergarten.

Natürlich wünsche ich mir auch Ärzte aller Fachrichtungen in dieser Klinik:
Internisten, Kardiologen, Psychiater, Neurologen, Orthopäden und Allgemeinmediziner
So können bei Symptomen sofort Untersuchungen stattfinden und der Betroffene lernt unmittelbar, dass nichts gefährliches Organisches vorliegt.
Das schafft Sicherheit und Mut, den Körper mehr zu fordern und auf sein Leistungspotential zu vertrauen.

Ich würde mir ein umfassendes Sportangebot wünschen…wo Aktivität und Spaß im Vordergrund stehen. Wo wir auch lernen, dass unser Körper mehr schafft, als wir denken und wo wir erkennen, dass wir nicht immer nur Sieger/ Verlierer sein können oder müssen. Mannschaftssport ist hier ein ganz wichtiges Element.
Zumba und Aerobic sind ebenfalls gute Programme, um Anstrengung, Herzrasen, Spaß und Schweiß gemeinschaftlich zu verbinden.

Entspannungsprogramme wie Jacobson oder Yoga fände ich besser als Autogenes Training oder diesen ganzen Imaginationskram. Pilates wäre auch geeignet, den Körper anders kennenzulernen. Oder Tai Chi…

Und ich würde Selbstverteidigungskurse anbieten, damit wir lernen, in Stress-Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren, das Einfrieren zu verhindern und uns zu wehren.

Statt der üblichen Massagen würde ich mir Craniosakrale Therapie wünschen, vielleicht auch einen Ostheopaten und Akupunktur.

Ihr merkt schon…der Körper steht für mich an erster Stelle…

Und wenn der Betroffene selbst spürt, dass er sich in seinem Körper sicherer und standfester fühlt, dass Adrenalinausschüttung und Angstzustände etwas erträglicher sind, dann käme die Gesprächstherapie mehr zum Tragen.

Traumatherapie wäre für mich aber immer Arbeit an den Zuständen und nicht am Trauma selbst, es sei denn, der Betroffene wünscht darüber zu sprechen.

NLP wäre für mich ein wichtiges Element, um falsche Glaubenssätze aufzulösen.
Hypnose oder Hypnotherapie, wo es machbar ist,
EMDR und Bildschirmtechnik, sofern der Betroffene es selber wünscht, aber nur mit ausreichender Vorbereitung und der Wahl, jederzeit abbrechen zu können.
Skill- Gruppen für den Notfallkoffer
DBT mit Gefühlstagebuch, um zu lernen, welche Gefühle es gibt und wie sie sich anfühlen.
Verhaltensanalysen und Training für Soziale Kompetenzen
Ressourcenarbeit wäre sehr wichtig, genauso das Wiederentdecken von Hobbies

Generell gäbe es in meiner Wunschklinik mehr Einzelgespräche und lediglich allgemeine Infogespräche , DBT , Skills und Soziale Kompetenzen würden in Gruppen abgearbeitet werden. Ich würde mir Genussgruppen wünschen, bzw. der ganze Aufenthalt sollte auf Genuss und nicht auf Leistung und Druck aufgebaut sein.

Ich würde mir auch mehr Angehörigengespräche wünschen, wenn es Angehörige gibt.
Aber auch Freunde oder Betreuer des Betroffenen dürften zu Gesprächen eingeladen werden, denn das Umfeld ist nunmal der wichtigste Katalysator für Sicherheit und Wohlbefinden im Alltag.

Für die schlimmsten Phobiker würde ich mir generell die Möglichkeit wünschen, eine Begleitperson auf Kosten der Krankenkasse für die erste Zeit mit einzuquartieren, genauso sollten Assistenzhunde oder eigene Haustiere mitgebracht werden können.

Betroffene, die zusätzlich unter Agoraphobie und Panikattacken leiden, sollten Angstexpositionen in therapeutenbegleiteten Gruppen machen und zusätzliche Gesprächsgruppen besuchen, die sich ausschließlich mit der Angstthematik beschäftigen.
Besonders Herzphobiker bekämen bei mir tageweise ein Langzeit- EKG zur Selbstkontrolle.

Betroffene mit dissoziativen Störungen bekämen in meiner Klinik ganz besonders viel Aufmerksamkeit, damit die Betroffenen lernen, rechtzeitig zu bemerken, wann ihre Grenzen überschritten werden und frühzeitig entsprechende Maßnahmen ergreifen, damit das Dissoziieren oder Switchen verhindert wird.

Langzeitaufenthalte und Intervall…mit einer engmaschigen Betreuung und nahtlos anschließender ambulanter Therapie nach der Entlassung…würden meiner Meinung nach vielen Betroffenen das Leben lebenswerter machen und vielleicht auch den Schritt zurück ins Berufsleben ermöglichen.

Ja, ich habe viele Wünsche…und jeder wird sich fragen, welche Krankenkasse soll das bezahlen?

Wenn man den Klinikkosten jedoch die Kosten gegenüberstellt, die Erwerbsminderungsrente, Grundsicherung, Ärtzehopping, fehlgeschlagene ambulante Therapien oder Klinikaufenthalte, Notarzteinsätze, Betreuung, ambulante Wohnbetreuung, Wohngruppen, Pflegestufenkosten, Nachteilsausgleiche für Schwerbehinderung, Entgiftungsprogramme, Suchtstationen, etc. LANGFRISTIG verursachen, ist diese Klinik durchaus finanzierbar und nahezu ein Schnäppchen.
Und die Gelder, die für das Opferentschädigungsgesetz ausgezahlt werde, darf man auch nicht vergessen.

Und vielleicht gibt es ja irgendwann auch Fachärzte, Therapeuten und Klinikdirektoren, die das erkennen und sich bei den Krankenkassen und vor allem bei den Rententrägern für diese Art der Behandlung stark machen.

Ich hoffe darauf

Eure Rapunzel