Glück im Unglück…
Nach der Klinikentlassung konnte ich nach 3 Jahren endlich wieder eine neue ambulante Therapie beginnen.
Lange habe ich der Therapeutin Frau C. hinterhertelefoniert. Seit Dezember 2015 habe ich dort brav immer wieder in der wöchentlichen kurzen Telefonsprechstunde angerufen.
Dafür habe ich in meinem Handy extra den Alarm eingestellt, sonst hätte ich das Anrufen regelmäßig vergessen oder die Zeit verpasst.
2 Termine hatte ich schon vor dem Sommerurlaub, in denen wir uns erstmal beschnuppert haben und meine Biografie und die werten Befindlichkeiten oberflächlich abgearbeitet wurden.
Heute hatte ich meine 3. Sitzung und dann gleich mal ein AHA- Erlebnis.
Nee…eigentlich waren es zwei AHA- Erlebnisse.
Abstufungen von Grau
Zuallererst hat Frau C. mir vorgeschlagen, doch täglich 3 Dinge zu finden, die nicht ganz so dunkel sind wie der Rest.
Fast triumphierend entgegnete ich, dass ich schon in der Klinik mit einem Positiv- Tagebuch angefangen habe, welches mir aber jetzt zuhause sehr schwer fällt zu führen, da ich einfach zuwenig positive Dinge in meinen 4 Wänden erlebe.
Ist ja fast jeden Tag die gleiche Chose. Und wenn die Sonne draussen scheint, mag das für andere positiv sein, für mich ist es das weniger, weil ich eben nicht raus kann, ins Freibad, auf Fahrradtour oder Picknicken.
Ich schätze es mehr, wenn das Wetter draussen zu meiner Stimmung drinnen passt…Nieselregen oder so. Aber das heißt ja nicht automatisch, dass ich Nieselregen mag. Ich finde es eben nur doof, wenn die Sonne scheint und ich nicht raus kann.
Also ist weder Sonne noch Nieselregen für mich positiv.
Frau C. antwortete mir darauf, dass genau deswegen ein Positiv- Tagebuch für mich nicht die richtige Aufgabe wäre. Und dass ich einfach täglich auf Momente achten soll, wenn mir mein Leben und meine Gefühlslage in bestimmten Situationen nicht ganz so dunkel erscheinen und dann diese Dinge aufschreiben soll.
Ich soll hellere Momente im Dunkel finden…nicht suchen! Auch ein Unterschied!
Wer sucht, findet nicht automatisch…
Meine Aufgabe für die nächsten Monate lautet nun:
3x täglich Abstufungen von Grau finden!
Das zweite AHA- Erlebnis war ganz anders gelagert.
Da sieht diese Frau mich zum 3. mal und legt mal gleich richtig einen vor.
Sie wollte von mir wissen, was meine Therapieziele sind.
Na, was wohl….STABILITÄT und FREIHEIT.
Ja…sehr allgemein von mir gehalten, differenzieren im Kleinen konnte ich das auch nicht.
Und im folgenden Wortgewusel hat sie mich gleich entlarvt.
Ich habe null Vorstellung davon, wie kleine Schritte aussehen könnten.
Ich habe, egal was ich für mich in der Zukunft plane und wenns nur für die nächsten 15 Minuten im Voraus ist…nur Endziele im Kopf. Etappensiege zählen für mich nicht.
„Tour de Rapunzel“ gibt’s nicht…Fahrradfahren kann ich selbst mit Dreirad nicht und die Farbe Gelb steht mir auch nicht.
Wie hat Frau C. mich entlarvt? Mit einer einzigen Frage!
Frau C.: „Was würden Sie als erstes tun, wenn Sie wieder Auto fahren könnten?
Rapunzel: „Ich will dann an die Ostsee, um das Grab meiner Oma zu besuchen.“
Frau C.:“Und innerhalb Ihres Wohnortes?“
Rapunzel: „KEINE AHNUNG!!
Frau C.: “ Gibt es nichts, was Sie hier in der Stadt gerne machen würden?“
Rapunzel nach kurzer Denkpause: „Doch, ich könnte wieder ins Sportstudio fahren, und dafür sorgen, dass Rapunzel innerhalb kürzester Zeit wieder 20 Kilo leichter ist.“
Nundenn….da kann ich erstmal dran rumkauen und zusehen, wie ich meine Ansprüche an mich herunterschraube. Denn ich sehe das gar nicht, im Gegenteil, ich mach mich lieber die ganze Zeit selber nieder und erwarte nix mehr von mir ausser Versagen.
Das wird eine spannende Zeit mit Frau C.
Einziger Wermutstropfen, den ich erst heute erfahren habe: Frau C. ist als Verhaltenstherapeutin von den Krankenkassen zugelassen. Das heißt, meine Therapiestunden werden sich auf maximal 60 Stunden begrenzen.
Mist!!
Eure Rapunzel
16. August 2016 at 22:38
Hallo Rapunzel,
mit 60 Stunden Therapie kann es ja schon ein gutes Stück weitergehen. Der Anfang hört sich ja gut an. Vielleicht schon jetzt weiter suchen nach einer tiefenpsychologisch orientierten Therapeutin. Das wäre ja ein Richtungswechsel und würde ein neues Stundenkontingent bringen. Hoffe Du schaffst es mit Hilfe mehr aus deinem Zuhause rauszukommen und dich im draußen sicher zu fühlen.
l.g. sternenstäubchen
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16. August 2016 at 23:05
Danke Sternenstäubchen….
eine meiner größten Macken ist eben, nur das Ende zu sehen…dabei habe ich grade erst mit der Therapie begonnen.
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16. August 2016 at 23:33
Nur das Ende sehen bringt oft unnötige Hetze und kann den Spass verderben. Wir gehen oft kleinteilig vor, und wenn die Kraft nicht reicht lassen wir uns auch mal treiben.
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16. August 2016 at 23:48
Findest Du?
Ich habe eigentlich beim Lesen Deines Blogs oft den Eindruck, dass Ihr vieles bis zur Erschöpfung durchzieht, egal, wie es Euch dabei geht.
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17. August 2016 at 0:07
Manchmal fehlen Alternativen.und oft ist es die Angst die uns weitertreibt. Die Angst nicht mehr zum Funktionieren zurückzufinden und im Wahnsinn zu enden. Es taucht hier oft die Vision auf schreiend mit dem Kopf vor die Wand zu schlagen bis es im Innen aufhört und Ruhe gibt. Habe das auch schon bei mehreren Freundinnen und Freunden erlebt. Hat leider keiner von ihnen geschafft davon wegzukommen, es endete in Körperzerstörung. In meinem Wissen hilft das nicht, die Dinge die nicht passen nimmt die Seele im Gepäck mit, so wird es nicht fertig.
Oh man.
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17. August 2016 at 2:09
Nun, das mit den 60 Stunden ist der pessimistische Ansatz. 80 Stunden sind häufig möglich. Und wenn Du ein besonders schwieriger Fall bist, können es am Ende gar 100 Stunden VT werden. Allerdings kommt es dazu nur selten, weil die wenigsten Verhaltenstherapeuten Lust und Laune haben, Die Antragsbegründung entsprechend gründlich zu formulieren. – Was wiederum ein grundsätzlich bezeichnendes Bild auf diese Gilde zeigt.
Bei mir waren es zuletzt, ehe der Fonds Sexueller Missbrauch einsprang, 60 + 20 + 10 + 10 Stunden. Wobei für die letzten 10 Stunden die Therapeutin bei der Beantragung schon von mir zum Jagen getragen werden musste, und wäre sie damals nicht in einem Wettbewerb mit den anderen Ausbildungskandidaten gestanden, hätte sie es wohl nicht mehr gemacht. So aber war sie doch scharf darauf, als einzige seit langer Zeit am Ausbildungsinstitut die 100-Stunden-Schallmauer zu erreichen. So hatte ich dann insgesamt mit 5 probatorischen Stunden und 1 Nachbetreuungsstunde am Stück 106 Stunden VT.
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17. August 2016 at 11:23
Ja, ich habe mir auch schon überlegt, dass es mit den geringen Stunden auch einen Vorteil hat…so habe ich zumindest den ersten Geldausgebevorschlag für den Fonds, dessen Zettel hier immer noch unausgefüllt rumfliegen.
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17. August 2016 at 10:57
Jawohl, Ziele zu hoch und/oder falsch setzen! Ein Klassiker! 🙂 Darin bin ich auch relativ elitär. Hauptsache extrem müssen sie sein. „Witzigerweise“ ist mir bei „Abstufungen von Grau“ grad als erstes in den Sinn gekommen „Grau? Nie gehört!“ Woraus als logische Folge auch völlig falsche Ziele resultieren. Naja, immerhin arbeiten wir dran, in vermutlich richtig dosierten Schritten!
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17. August 2016 at 11:00
Haha….Du als Borderliner kennst Grau auch nicht, da seid Ihr ja meistens farbenblind und nur für das knallharte Kontrastprogramm zu haben 😉
Black and White…das ist eher Dein Farbspektrum…
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17. August 2016 at 11:16
Ich bestehe drauf, dass Schwarz und weiß auch Farben sind!!!! 🙂
Wir können auch beides gleichzeitig haben, aber es vermischt sich nicht. Das klingt bezogen auf nen Farbkasten erstmal relativ cool, ist es aber nicht!
Aber mal ehrlich, ich finde es irgendwie auch nicht erstrebenswert Grautöne anzugucken! Wieso redet man eigentlich im Fachjargon nicht von Orange oder Gelb oder Grün etc? 🙂 Es gibt so viele Farben, aber die Psychologen finden es toll dass man Grautöne erkennt….das hab ich noch nie verstanden!! 🙂
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17. August 2016 at 11:19
immerhin gibt es rosa Elefanten im Laienjargon 😉
Und als Mädchen fände ich eine Pinke Farbpalette auch ganz nett.
Aber Depressionen und Negativismus werden nunmal als Tristesse bezeichnet und da gibt’s nunmal nur Grau.
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