Was war zuerst da?
Das Huhn oder das Ei?
Diesen Beitrag schiebe ich seit einem Jahr vor mir her, einfach, weil er für mich so persönlich ist. Aussenstehende würden es wohl als „besondere Betroffenheit“ bezeichnen.
Doch da mir in dieser Woche grade wieder eine Bekannte erzählt hat, dass sie eine OP erleben musste, bei der die Narkose nicht so gewirkt hat, wie sie soll und meine Bekannte vollkommen handlungsunfähig diese OP miterleben musste, ist dieser Beitrag mehr als fällig.
PTBS und Narkosen- eine schwer auflösbare Wechselbeziehung
Gebe ich in eine Suchmaschine die Begriffe „PTBS“ und „Narkose“ oder „Operation“ ein, dann bekomme ich eine Menge Treffer. Sehr erschreckend!
Es gibt allerdings 2 konträre Verbindungen.
Entweder entstand durch eine Narkose oder Operation eine Posttraumatische Belastungsstörung oder betroffene PTBSler berichten von extremen Ängsten, weil eine Narkose ansteht. Besonders die Betroffenen mit Dissoziativen Störungen oder einer DIS (Dissoziative Identitätsstörung/Multiple) haben Sorge, ob alle Anteile in Narkose versetzt werden können.
Warum sind Narkosen so Risikobehaftet?
Schaut man sich so einen typischen Anästhesie- Aufklärungsbogen an, liest man schon von möglichen Komplikationen, die aber alle organische Folgen sind.
Da wird von Übelkeit, Schluckbeschwerden, Kopfschmerzen, etc. berichtet.
Von psychischen Folgen oder der fehlerhaften Narkose, bei der der Patient eben nicht in die gewünschte Bewusstlosigkeit fällt, liest man nix!
Im Gegenteil, solche Folgen werden von vielen Anästhesisten sogar ganz frech verneint und Patienten, die nach dem Eingriff den Ärzten davon berichten, sogar abgeschmettert, das könne gar nicht sein.
Meine Bekannte konnte aber wiedergeben, worüber das OP-Team während der Operation gesprochen hatte….dann war großes Schweigen!
Mir ist ähnliches passiert in den 90ern… Ich hatte seit Kindesalter an immer heftigste Magenschmerzen, die mich auch zu stationären Aufenthalten zwangen.
4 Magenspiegelungen mit Dormicum und anderem Zeugs innerhalb von 2 Jahren in 2 verschiedenen Krankenhäusern sind gescheitert, bzw. von heftigsten Abwehrreaktionen meinerseits begleitet gewesen, so dass mich das Team festhalten musste, damit ich mich nicht selbst gefährde. Sie konnten mich nicht wirklich lahmlegen und mussten abbrechen…Doch thematisiert wurde das nach den Magenspiegelungen nicht, selbst die blauen Flecken an meinen Armen vom Festhalten wurden weggeschwiegen.
Es wurden damals paradoxe Reaktionen auf Valium als Grund für die Misserfolge diagnostiziert. Nur ein Oberarzt erwähnte in den OP-Berichten, dass ich mich massivst gegen das Einführen des Schlauchs gewehrt habe. Und meiner Oma, die mich damals begleitete, teilte er mit, dass ich im Unterbewusstsein sehr starke Ängste haben müsste, die die Betäubung aushebeln würden.
Nundenn…nach der 4. Magenspiegelung traten erstmals die massiven Panikattacken bei mir auf.
Mein Leben ist seitdem im Eimer! Ich war 24 und dank der Kombination Narkose/ Schlauch in den Hals schieben/ Festhalten retraumatisiert!
Hatte ich bis dahin meine traumatischen Erlebnisse aus meiner Kindheit einigermaßen im Griff und konnte mich zumindest draussen in der Gesellschaft unerkannt bewegen, war es danach schlagartig damit vorbei. Die Magenschmerzen sind übrigens psychosomatisch und eine Folge meines Traumas.
(Jetzt beim Schreiben steigt schon mein Adrenalin)
Ich bin echt fassungslos, wie Anästhesisten derartige Vorkommnisse auch heutzutage immer noch ignorieren oder gar wegschweigen.
Haben die Ärzte kein Internet, um sich zu informieren? Oder sind sie wirklich allwissend und stehen mit Gott auf einer Stufe?
Dabei braucht man nur bei Wikipedia nachschauen.
Intraoperative Wachheit (engl. Awareness) liegt vor, wenn ein Patient während einer Allgemeinanästhesie (Narkose) seine Umwelt teilweise oder vollständig wahrnimmt oder Aufforderungen aktiv befolgt. Es werden intraoperative Zustände von Wachheit ohne Erinnerung von solchen mit unbewusster (impliziter) und bewusster (expliziter) Erinnerung im Nachhinein unterschieden, wobei die meisten Betroffenen zur ersten Gruppe gehören.
Wenn keine besonderen Risiken vorliegen, treten Wachphänomene mit einer Häufigkeit von ein bis zwei Fällen pro 1.000 Narkosen (0,1 bis 0,2 %) auf.
Bei Kindern ist das Risiko für ein solches Ereignis jedoch um das 8- bis 10-fache erhöht.[1] Eine neuere Studie aus Großbritannien kommt auf eine Häufigkeit von 1:15.000, sofern die Patienten nicht befragt werden, sondern die Awareness selbstständig mitteilen.[2] Ein erhöhtes Risiko besteht bei Notfalleingriffen, Schnittentbindungen, herzchirurgischen Eingriffen, Eingriffen in der Nacht, schwerkranken Patienten mit eingeschränkter kardiovaskulärer Reserve (ASA-Status IV, V), Drogenabhängigkeit, Patienten mit chronischen Schmerzen, zuvor stattgehabte Episoden von intraoperativer Wachheit, dem Einsatz vom Muskelrelaxanzien, bei total intravenöser Anästhesie und fehlender Prämedikation mit einem Benzodiazepin.Das Erleben von Awareness ist sehr variabel und kann Hör- und Sehwahrnehmungen und die Empfindung von Schmerz, Lähmung, Hilflosigkeit und Angst umfassen.
Die Rekonvaleszenz nach dem Eingriff kann deutlich beeinträchtigt sein (akute Belastungsreaktion), in der Regel ist ein Erleben von intraoperativer Wachheit aber nicht mit längerfristigen Folgen assoziiert.
In Einzelfällen kann es zu Ausbildung einer behandlungsbedürftigen Posttraumatischen Belastungsstörung kommen. Dies kann auch durch Wachheitszustände ohne bewusste Erinnerung verursacht werden.Quelle: Auszug von Wikipedia
Es gibt zuhauf Menschen, die durch derartige Erlebnisse während der OP schwer traumatisiert wurden, auch ohne Vorbelastung.
Niemand möchte geistig voll da sein, gefangen im eigenen Körper, während das OP- Team sich über einen beugt und irgendwo an einem rumschnippelt. Und das Schmerzempfinden ist in diesen Fällen meistens auch nicht lahmgelegt….doch man ist nicht fähig zu schreien.
Wikipedia verrät, dass 1-2 Fälle pro 1000 Narkosen auftreten, bei Kindern um das 8fache erhöht!
Also kommt man dazu schneller als zu einem Lottogewinn und trotzdem wird darüber nicht aufgeklärt vor der OP.
Das Schwierige ist die Beweisbarkeit, denn meistens zweifeln die betroffenen Patienten hinterher selber, ob sie das wirklich so erlebt haben…
Was nirgendwo in den Aufklärungsbögen erwähnt wird, kann ja auch nicht sein.
Und die Anästhesisten werden sicherlich nicht das eigene Nest beschmutzen und freimütig zugeben, dass sowas vorkommt.
Diese Patienten sind auch Opfer. Opfer der glorreichen Mediziner, die sich nicht mit solchen „Bagatellen“ beschäftigen wollen.
Und die Krankenkassen bezahlen stillschweigend während der nächsten Jahre die Psychotherapiestunden, Krankengeld und Klinikaufenthalte, ohne den betreffenden Ärtzesparten mal ordentlich auf die Finger zu kloppen.
Und ist der Patient dank des traumatischen Erlebnisse während der OP dauerhaft erwerbsunfähig, zahlt die Rentenkasse brav…
Wo ist da der Gesetzgeber, der der Ärztekammer die Verpflichtung auferlegt, die Aufklärungsbögen zu überarbeiten und speziell Trauma durch Wachzustände als mögliche Folge namentlich in die Bögen reinzubringen.
Andersrum sind besonders Traumatisierte und Menschen mit dissoziativen Störungen bei Narkosen extrem gefährdet. Es ist eine erwähnenswerte Vorerkrankung.
Fakt ist….und das ist jedem normal denkendem Mensch eigentlich klar: Narkosen sind bei Trauma-Patienten ausserordentlich triggernd.
Bei DIS- Menschen sind die abgespalten Persönlichkeitsanteile zusätzlich eigenständig agierende Innenpersonen, denen die Narkose auch erstmal erklärt werden muss.
Vielleicht wollen einige Innies keine OP oder sind zu jung, um das zu verstehen.
Wer Kinder hat und diese ambulant wegen Polypen oder Paukenröhrchen operiert wurden, weiß, wie sich Kinder in der Aufwachphase verhalten…sie toben und sie schreien, weil die Psyche nicht versteht, dass eine Narkose für einen bestimmten Zeitraum das Bewusstsein ausgeschaltet hat.
Die Narkose versetzt den Menschen in Bewusstlosigkeit, für Stunden hat der Patient sein Leben und seinen Körper nicht mehr unter Kontrolle…es könnte alles mögliche passieren in dieser Zeit.
Traumapatienten jeden Alters brauchen aber jederzeit volle Sicherheit und Kontrolle über Körper und über Situation…sonst schlägt das Unterbewusstsein Alarm!
Narkose erzeugt künstlich Zustände, die ein traumatisierter Mensch schonmal erlebt hat:
HILFLOSIGKEIT/ OHNMACHT
Somit sind Traumatisierte besonders gefährdet!
Retraumatisierung kann nicht ausgeschlossen werden!
Betroffenen ist dieses aber meistens nicht bewusst.
Und da Betroffene mit ihrem Trauma, grade bei sexuellem Missbrauch oder Vergewaltigung, nicht grade hausieren gehen oder auch ständig wegdrängen, wird es auch beim Vorgespräch mit dem Anästhesisten nicht thematisiert.
Im postoperativen Fragebogen tauchen PTBS oder DIS leider auch nicht auf…da wird nur oberflächlich nach Nerven/Gemüt, Krampfleiden und Depressionen gefragt…
Mich würde ja mal interessieren, ob überhaupt darauf eingegangen wird, wenn der Patient den Bereich ankreuzt.
Wer eine DIS oder Trauma hat, sollte deswegen mutig sein und unbedingt den Anästhesisten vor der OP darüber informieren.
Nimmt der Anästhesist das nicht ernst, dann sucht Euch einen anderen Arzt.
Huhn oder Ei?
Trauma als Vorerkrankung oder als Folgeerkrankung?
Diese Frage lässt sich nach einer Narkose nicht immer eindeutig klären.
Eure retraumatisierte Rapunzel
11. August 2016 at 15:44
Liebe Rapunzel, ein großes Danke von mir für deinen Artikel!!
Ich finde es sehr mutig, dass du darüber schreibst und kann mich in einigen Punkten wiederfinden. Mein Erlebnis war damals, dass ich im Rahmen einer Bauchspiegelung eine Vollnarkose bekam und irgendwann nach Ende der OP zu früh wach wurde, mich aber nicht bemerkbar machen konnte, da noch bewegungsunfähig durch ein Medikament.Sprechen fiel dank des Tubus flach. Ich versuchte, dagegen zu atmen und hatte das Gefühl, keine Luftmehr zu bekommen… Dieses Gefühl sucht mich auch bei meinen Panikattcken heim, lange habe ich da aber keinen Zusammenhang herstellen können. Danke für das für Augen führen und alles Gute für dich!!
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11. August 2016 at 16:25
Ja Nelia…danke für Dein rasches Feedback.
Ähnliches habe ich in der Zeit meiner 4 Magenspiegelungen auch erlebt, als meine Gallenblase für meine psychosomatischen Magenbeschwerden als vermeintliche Ursache operativ entfernt wurde.
Ich wurde auch zu früh wach und hatte noch den Schlauch im Hals und konnte das Blutdruckmessgerät an meinem rechten Arm pumpen hören.
Weil ich länger als vorgesehen im Aufwachraum lag, durfte meine Oma mal kurz zur Tür reinschauen. Ich habe sie bemerkt und fing an zu weinen und unruhig zu werden…erst da haben sie mir den Schlauch gezogen. Und durch meine Unruhe verrutsche ein Blutauffangbeutel…ich wusste, irgendwas stimmt nicht…ich habe das mehrfach wiederholt und dann wurde auf die OP-Schnitte geschaut…dazu musste die Bettdecke angehoben werden und ich lag in meinem eigenen Blut…eine schlimme Erfahrung, für die sich niemand verantwortlich fühlte.
Was wirst Du mit deiner neuen Erkenntnis anfangen? Wird es Dir helfen, besser mit den Panikattacken umgehen zu können?
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12. August 2016 at 9:24
Oh nein, es tut mir sehr leid, dass du gleich mehrere dieser beängstigenden Erfahrungen mit Vollnarkosen gesammelt hast! Das zeigt ja auch, dass das Ganze leider nicht so selten zu passieren scheint, wie man immer hört 😦
Warum der Punkt „Depressionen“ auf dem Aufklärungsbogen steht, habe ich mich auch schon in diesem Zusammenhang gefragt. Ich hatte es bei allen Vollnarkosen, die ich seit der Diagnosestellung Depression bekommen habe, angekreuzt, Nachfragen kamen dazu bis dato nicht.
Ich überlege, ob ich mir ein Herz fasse und in einer der nächsten Therapiestunden mal mit meiner Therapeutin über das Thema spreche … Bisher habe ich anderen Gegenüber wenig darüber gesprochen, es im KH nach der OP damals auch gar nicht angesprochen, weil ich echt mit mir am Ringen war, ob es wirklich passiert ist oder nur Einbildung war, ich war voll verunsichert bzw. bin es teils immer noch … Aber es fühlte sich andererseits so real an, nicht wie ein Traum und ich kann es auch noch genau beschreiben. Geholfen hat mir, als ich mich irgendwann anonym an eine medizinische Beratung gewandt habe, wo man einem Anästhesisten Fragen stellen konnte, der bestätigte mir dann, dass solche Begebenheiten leider passieren, es aber absolut nicht drüfen und erklärte mir auch die medizinischen Zusammenhänge. Danach fühlte ich mich etwas weniger verunsichert und konnte das Ganze ein STück mehr annehmen.
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12. August 2016 at 13:31
Und genau das ist es, was mich so verärgert….
Diese Narkose- Problematik wird totgeschwiegen und die Patienten, denen das passiert, stehen hinterher total verunsichert alleine mit dem Erlebnis da und können es. weil angeblich nicht passiert, auch nicht verarbeiten. Ich hoffe, Du schaffst es, mit Deiner Therapeutin darüber zu sprechen.
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11. August 2016 at 23:31
Mit Narkose wäre für uns schlimmer. Glaube wir würden uns augelieferter fühlen. So bekommt man wenigstens noch mit was da abgeht, eingenebelt mit Propofol glauben wir das es für uns traumatisierender wäre. Hat dann immer Ärger gegeben das wir uns das nicht geben lassen wollten.
Gerade bei den Fachärzten stoßen Traumapatienten/innen meist auf taube Ohren und auch oft Arroganz. Sind da auch schon gegangen wenn uns das zu doof wurde. Auch die Ablehnung uns von manchen Ärzten behandeln zu lassen gibt es, von manchen Ärzten können wir uns nicht berühren lassen, dann geht nur zu gehen. Bin froh das wir das schaffen. Früher war eher aushalten angesagt.
Die Magenspiegelung war von allen Untersuchungen am schwersten zu überstehen.
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11. August 2016 at 23:59
Magenspiegelung ohne Narkose? Chapeaux….das würde ich niemals hinbekommen…allerdings bekomme ich es auch nicht mit Narkose hin.
Diese Art von Untersuchung steht bei mir seit den 90ern auf dem Index.
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12. August 2016 at 0:36
Bis jetzt ging alles ohne Narkose. Mit Narkose war Innen sehr viel Abwehr. Die ambulante Therapeutin meinte wir sollten besser in eine Klinik gehen und uns eine Vollnarkose geben lassen. Sie hatte Angst das wir uns retraumatisieren lassen. Wir waren da sehr in der Zwickmühle wie wir damit umgehen sollen. Ging ja erst mit relativ heftigen Darmblutungen los. Hatten dann erst eine komplette Spiegelung bei der wir auch den ersten Arzt abgelehnt haben. Sein Kollege war da besser für uns. Dabei wurde auch gefragt ob Magenkrebs in der Familie vorkommt und ob Schmerzen da sind, Schmerzen sind da und Magenkrebs gab es oft in der Familie. Habe dann die Magenspiegelung ohne Betäubung machen lassen, konnten uns irgendwie innerlich drauf einstimmen.
Schade finden wir das diese Untersuchungen und Ergebnisse keine Auswirkungen auf das Wohlbefinden hatten und haben. Die Schmerzen sind geblieben, es gab und gibt Entzündungen von Speiseröhre und Colitis Ulcerosa die oft wiederkehren und die Medikamente haben wenig bis garnicht gewirkt.
Haben festgestellt das es sehr vom Arzt abhängt wieviel uns Untersuchungen ausmachen. Beim Kardiologen hat es uns als wir das noch nicht wußten mal ganz aus der Welt gehauen.
Die Abneigungen gegen Narkosen rührt auch aus der Kindheit her. Es gab Medikamente und auch Cloroform.
Wenn wir zuviel von uns geschrieben haben lösche den Beitrag einfach.
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12. August 2016 at 1:10
Nein, Sternenstäubchen…
ich finde es gut, wenn andere Betroffene ihre Erlebnisse schildern. Ich danke dir für das Vertrauen, dass Du bei meinen Beiträgen von Deinen Erlebnissen berichtest.
Ich bin kein Arzt, aber ich denke, dass Du auch sehr viele psychosomatische Beschwerden hast.
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12. August 2016 at 17:15
Habe wenig Ahnung von PTBS nicht und von Narkosen zum Glück bisher auch nicht. Aber ich find hochinteressant was das für das Verhältnis von Körper und Bewußtsein aussag. Mir fallen dazu zwei Phänomene ein, die ich bemerkenswert fand, aber bisher noch nicht einzuordnen weiß: In irgendeiner Natursendung sagte einer mal, daß man für ein Wildtier eine ungleich höhere Dosis Betäubungsmittel bräuchte als für dasselbe(!) zahme Tier. Ich glaube, es ging um die ausgewilderten Wisente in Polen und nach ein paar Wochen Freiheit haben die die mit der sechsfachen Dosis nicht mehr zum schlafen bekommen. Das andere Phänomen hörte ich von Leuten aus dem Sicherheitproduzierenden Gewerbe, da ging es um die Wirkung von Schußwaffen. Und zwar ist wohl jemand, der aktiv um sein Leben kämpft, praktisch nicht totzukriegen, während ein harmloser Passant schon bei nem Streifschuss umfällt, Schon erstaunlich, was Hirn, Hormone und Körper zu leisten vermögen…
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12. August 2016 at 17:52
Auch ein interessanter Aspekt…
Dabei fällt mir ein, dass ein Mensch, der Amok läuft, auch wesentlich schmerzunempfindlicher ist und noch mit zig Kugeln im Körper weiterlaufen kann.
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12. August 2016 at 18:10
So wie du das beschreibst, bist du ja praktisch im Abwehr- bzw. Kampfmodus. Karl Marlantes hat in „What it’s like to go to war“ mal den irischen Cuchulin-Mythos als eine art Heilungs- oder Wiedereingliederungszeremonie für traumatisierte Soldaten beschrieben. Da gibt es neben akuten Traumasymptomen noch den “ War junkie“, der zwar nicht direkt leidet, aber im normalen Leben vor Langeweile eingeht.
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12. August 2016 at 18:21
Traumatisierte sind immer im Abwehr.Modus…und ob Kampf- oder Abwehrmodus, es werden die gleichen chemischen Vorgänge im Körper in Gang gesetzt.
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16. August 2016 at 20:48
Hi Rapunzel,
sehr interessant dein PTBS und Narkosen Bericht – meine Frau hat eine komplexe PTBS und hat mir ebenfalls von einer Traumatisierung im Kindesalter berichtet – ihr wurde nach einem Verkehrsunfall mit aller Macht versucht eine Kanüle zu legen und man hat sie dafür mit 5 Leuten festgehalten – das ist ihr immer noch in Erinnerung.
Zum Thema Narkose und intraoperativer Wachheit schreibe ich gleich noch etwas mehr – bin Anästhesiepfleger mit über 20 Jahren Berufserfahrung in dem Bereich und möchte nachher noch ein paar Sachen dazu ergänzen.
Bis dann!
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16. August 2016 at 21:07
Die 5 starken Wikinger dürfen bei meinen Narkosen auch immer parat stehen. Ich werde ebenfalls sehr wehrhaft, sobald die Narkose anfängt zu wirken-
Ich bin gespannt, was Du uns als Insider noch zu Narkosen berichten kannst.
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17. August 2016 at 0:15
Also Fakt ist, das auf den Aufklärungsbogen zur Narkoseaufklärung in der Tat nicht explizit auf PTBS eingegangen wird. Da kommt es schon auf ein gutes Aufklärungsgespräch mit dem Anästhesisten an. Wenn dann PTBS oder andere Traumatisierungen – auch intraoperative Wachheit (obwohl ich die bei keinem Patienten in unserem Krankenhaus erlebt habe) – bekannt sind, dann wurde extra darauf hingewiesen und dies auf dem Narkoseprotokoll vermerkt – wir haben dann auch die Kollegen im Aufwachraum darauf hingewiesen. Fakt war dann, das die sog. Prämedikation erhöht wurde – d. h. meistens werden Benzodiaz. wie Dormicum/Tranxilium als Tablette gegeben – bei einer Vollnarkose haben wir dann meist noch ein wenig i. v. dazugegeben – auch wird dann die Narkose entsprechend angepasst – d. h. ein wenig mehr Opiat und dann entsprechend noch das Narkosegas/Muskelrelaxanz dazu – ob der Patient dann ausreichend relaxiert ist, wird mit einem Relaxometer überprüft – niedrige Pulsfrequenz und moderater Blutdruck sind weitere Hinweise auf eine ausreichende Narkose – der Lidreflex läßt sich auch nicht auslösen und dann gibt es noch bei der total-intravenösen Anästhesie mit Propofol und einem kurzwirksamen Opiat die Möglichkeit die Narkosetiefe mit einer Art Mini-EEG zu messen – das geht mit den oben beschriebenen anderen Möglichkeiten recht gut.
Voraussetzung ist ein erfahrerner Facharzt für Anästhesie (oder auch Fachärztin) und/oder eine erfahrene Pflegekraft. Wir hatten sogar mal eine Patientenbefragung bez. der Narkose und Schmerztherapie + intraoperativer Wachheit durchgeführt (1000 Patienten) – wir hatten keinen Fall dabei – aber es gab schon einige Patienten, die von intraoperativer Wachheit bei anderen OP’s in anderen Krankenhäusern berichtet hatten (da passt man die Narkose halt entsprechend an 😉 );
Das gleiche gilt im Umgang mit Patienten die eine Angststörung o.ä. haben – da ist entsprechend vorsichtiges Vorgehen angesagt – ggf. kann man eine Narkose bei z. B. Kindern (wenn sie denn nüchtern sind) auch mit Narkosegas einleiten – wenn sie dann tief schlafen, kann man in Ruhe eine Kanüle legen. Früher ging dies aber leider nicht immer so schonend … kann mich daran erinnern, dass wir in der Ambulanz einem 8jährigen hinterherliefen, weil er Angst vor Spritzen/Kanülen hatte – vollkommen irres Szenario – für die Versorgung einer Platzwunde an der Stirn… Seit langer Zeit gibt es zum Glück Medikamente die man über einen Zerstäuber (wie Nasenspray) in die Nase einbringen kann und so über die Nasenschleimhaut aufgenommen werden – das braucht etwas Zeit und Geduld – aber nach ca. 10 Minuten sind die Kinder meist so sediert, dass problemlos eine Kanüle gelegt werden kann.
Also ich denke, dass wenn beim Aufklärungsgespräch z. B. auf PTBS o.ä. hingewiesen wird es keine Probleme bei der Narkose geben – vorausgesetzt die Narkose wird entsprechend angepasst!
Bei meiner Frau hat die Retraumatisierung wohl durch eine beinahe-Tod-Erfahrung nach akuter Erkrankung (stoffwechselbedingt) und Miterleben von mehreren Todesfällen auf der Intensivstation stattgefunden – peu à peu kamen dann ganz langsam noch weitere Sachen aus der Kindheit zu Tage – alles weitere brauche ich nicht mehr auszuführen; das deckt sich so ziemlich mit deinen Berichten; ganz zu schweigen von dem Problem bei komplexen Traumafolgestörungen entsprechende Therapien zu bekommen (die komplexe PTBS ist nämlich nicht im ICD-Verzeichnis hinterlegt; nur die einfache PTBS) – entsprechend schwierig wird es dann, wenn zusätzlich noch eine durch eine Stoffwechselerkrankung bedingte Depression dazukommt – wenn dann noch die Schilddrüse schlapp macht und die Hirnanhangdrüse ebenfalls – tja dann hast du alle möglichen Symptome wie Anpassungsstörungen, Panikattacken, Schwindel etc……. und so fängt dann eine Odyssee an – schwierig auch für die Gutachter da noch durchzuschauen. So nun aber genug!
Falls noch Fragen zu Narkosen da sind – gerne nachfragen ;-)!
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17. August 2016 at 1:01
Ich danke Dir für die umfassende Erläuterung, dennoch habe ich noch eine Frage:
Ich habe niedrigen Blutdruck und auch mein Puls ist selbst bei Aufregung immer unter 90 oder knapp drüber, aber nie über 100….
Wie stellt man dann fest, ob die Narkose bei mir so wirkt, wie sie wirken soll?
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4. September 2018 at 23:42
Hallo
Hatte letzte Woche eine optimale wo mir die Galle entfernt worden ist in der aufwach fase habe ich stark regiert mit um mich schlagen so eine Kraft aufgebaut das ich fast vom op Tisch wäre und habe auf mich selbst eingeschlagen so das ich für 2 Tage auf eine Intensivstation musste kann dies mit einem posttraumatischen belastungstrauma zu tun haben den dies hatte ich schon vor der Operation
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4. September 2018 at 23:57
Hallo Yvonne…
zum Antworten habe ich jetzt mal das Laptop hochgefahren, dass Tippen ist mir am Handy zu umständlich.
Dein Aufwacherlebnis ist wirklich übel, ich weiß, dass Du entsetzt und ratlos bist, weshalb Du so extrem in der Aufwachphase reagiert hast.
Nun war ich weder dabei noch bin ich fachlich versiert, Dir dazu eine treffsichere Beurteilung abgeben zu können.
Was haben denn die Ärzte in der Klinik gesagt? Wie war die Einschlafphase, nachdem die Narkose gesetzt wurde?
Das ist wichtig zu wissen…..
Denn häufig (das ist besonders bei Kindern zu beobachten) wird in der Aufwachphase fortgesetzt, was vor dem Schlaf an Verhalten vorhanden war….diese Aktivität wird quasi nur während der Narkosezeit unterbrochen.
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21. September 2018 at 13:32
Hallo Rapunzel,
Ich habe auch sehr grosse Probleme mit Narkosen schon seit der Kindheit. Sobald ich wach werde bricht die Hölle los. Aus irgendeinem Grund werde ich auch schneller wach als alle erwarten und bin dann nicht in der Lage mich zu zügeln, erst recht nicht wenn such alle auf einen stürzen und viele unerwübschte Hände einen halten.
Ich bin ein sehr friedlicher Mensch habe aber beim Aufwachen schon Schwestern und Pfleger geschlagen, wofür ich mich hinterher so unendlich schäme. Hier bin ich dann der Täter. Alles was noch irgendwie geht mache ich ohne Narkose, also Magen oder Darmspiegelungen.Ich erkläre dann immer in aller Ausführlichkeit das ich kaum Schmerzen spüre und rum renne als wäre nix gewesen wenn alle anderen noch Schach matt im Bett liegen. Unnötig zu erwähnen das Mir kein Arzt bisher geglaubt hat bis er es erlebt hat.
Mir graut vor Narkosen mittlerweile so sehr das ich wie gelähmt davor bin und dann nur noch in einem grossen schwarzen Loch versinke. Es tut gut zu wissen das ich mit meiner Angst nicht allein bin, es ist oft entmutigend zu erleben wie abwertend manche Ärzte mit einem umgehen. Danke dafür.
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21. September 2018 at 18:33
Hallo Steffi…
Fühle dich mal ganz doll umärmelt.
Interessant finde ich immer diese Ungläubigkeit der Ärzte, wenn wir vorhaben, dass da was „Ungewöhnliches“ auf sie zukommen wird…
Als ob sich ein Patient sowas ausdenken würde…😰
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