Die dunkle Jahreszeit mit dem tristen Wetter und den unangenehmen Temperaturen ist eine schwere Zeit.


Wer mit seelischen Erkrankungen wie PTBS, Depressionen, Borderline und anderen psychischen Störungen zu kämpfen hat, verfügt meistens über eine unüberschaubare Anzahl von Baustellen.
Und deren Gewichtung wird bei miesem Wetter und mit dem Blick auf die alljählich problembesetzten Weihnachtstage häufig schwerer und schwerer und schlägt auf Psyche und Psychosomatik.
Nicht umsonst ist diese Zeit besonders gefährlich bei Suizidalität.

Baustellen haben wir viele:
Familiäre Konflikte
Beziehungsprobleme
Finanzielle (Dauer)Engpässe
Gesundheitsprobleme satt und reichlich
Alltagsbewältigungssorgen
Gefühlschaos

Dafür brauchen wir richtig gute Skills!

Natürlich kannst Du stundenlang in dem Wellnessbad bei Kerzenschein hocken, mit Krimi und Schampus, bis Du schrumpelig bist….dem 10. Hörbuch lauschen und Mandalas malen, bis die Fingerkuppen taub sind. Auf pieksigen Tannennadeln barfuß laufen und mit Bergamotte-Öl die Bude zunebeln, Chilis wie Kaugummi kauen und jede Menge anderer Standard-Skills verschleißen. Kannst Du alles machen!

Aber wenn das nicht hilft, was dann?

Es ist Brauch, zu Sylvester (Ver)Änderungen herbeiführen zu wollen und so wird diese Nacht mit einer Menge neuer guter Jahresvorsätze gespickt, nachdem eine Jahresbilanz gezogen wurde.
Eine neue Diät, mehr Sport, Rauchen aufgeben… das sind die Klassiker.

Aber warum bis Sylvester warten?
Wir können doch jederzeit beginnen, warum also nicht in der Adventszeit?
Da werden wir sowieso mit der Nase in die Scheiße gestupst und sind hochaktiv im Verdrängen, Vermeiden und Vermissen.

Anstatt die Christbaumkugeln aus der letzten Ecke im Keller aus dem schäbigen Karton zu kramen und als Alibi einen Weihnachtsbaum zu dekorieren und mit jeder neu entzündeten Kerze auf dem Adventskranz die Fassade noch besser aufzuhübschen und auf die fehlenden Weihnachtsgefühle zu hoffen, kann man doch diese Zeit der Besinnlichkeit dazu nutzen, sich auf sich selbst zu besinnen.

Was kann man noch machen in dieser Zeit?
Müssen gute Vorsätze denn wirklich erst im neuen Jahr beginnen?
Grade die Adventszeit und die Weihnachtstage eignen sich doch besonders gut, genau hinzuschauen, wo die Baustellen und Fallgruben unseres Lebens zu finden sind.

Wäre es nicht ein guter Vorsatz, in der Weihnachtszeit einfach zu beschließen, zu leben?
Im Rahmen seiner Möglichkeiten das Beste daraus zu machen?
Zu Akzeptieren, dass unser Leben nie so sein wird wie das Anderer und aufzuhören zu hoffen oder zu vermissen?
Sich selbst und die aktuellen Gegebenheiten anzunehmen und mit diesem „Material“ zu arbeiten?

Und dann (kleine) Veränderungen herbeiführen, anstatt sämtliche Skills zu verschleißen?

Und da Abreißen meistens leichter ist als Aufbauen und für NEUES auch Platz geschaffen werden muss, könnten wir unnötigen Ballast sichtbar abwerfen.

Wie wärs also mal mit einer überschaubaren kleinen To-Do-Liste anstatt Wunschzettel?
Wünschen heißt hoffen und träumen…To-Do jedoch aktiv planen und anpacken!

Die Bude umstellen oder renovieren oder endlich mal den Keller ausmisten, Sperrmüll fürs neue Jahr bestellen, die Facebook-Freundesliste dezimieren, den Kleiderschrank aussortieren, die Partnerschaft überdenken, uns von falschen Freunden trennen, über einen Umzug oder Auszug nachdenken und online die Wohnungsangebote filzen, lästigen Bürokram erledigen oder triggernde Briefe und Fotos verbrennen oder in eine Kiste verbannen und somit die schicksalsträchtige Vergangenheit bei einem leckeren Glas Rotwein und Spekulatius in unserem Interesse frisieren.
Wer auf einen Hauch von Christmasfeeling dabei nicht verzichten möchte, kann dazu natürlich Last Christmas in der Dauerschleife hören.

Belohnung dafür: Mehr Platz, mehr Raum, mehr Luft zum Atmen, Stolz auf die geschaffte Arbeit, Vorfreude auf was Neues, ein neues Kleidungsstück, Sicherheit, aktive Zukunftsgestaltung, Befreiung.

Angenehmer Nebeneffekt….Ablenkung!

Oder warum nicht einfach mal was vollkommen Unkonventionelles tun und sich total aus dem Weihnachtsgeschehen ausklinken??

Vor genau 20 Jahren, als ich noch nicht so eingeschränkt war im Aktionsradius, habe ich die Feiertage mit meinem damaligen Partner in einer billigen Absteige direkt auf der Reeperbahn verbracht.
Vollkommen ungeplant, da wir eigentlich typisch weihnachtlich einen schönen Heiligabend in einer kleinen Pension in einem Dörfchen an der Ostsee verbringen wollten. Dafür hatten wir uns nachmittags ganz spontan den alten Opel Manta von seiner Schwester geliehen. Bloß es hatte keine Pension auf und das Dorf lag im Dunkeln, als wir da ankamen. Und sämtliche Tankstellen waren ebenfalls geschlossen, so dass wir buchstäblich mit dem letzten Tropfen Sprit in Hamburg landeten.
Und ich muss sagen, ich hatte eine Menge Ablenkung, Spaß, Action…ich habe sogar einen Joint geraucht und war das erste mal in meinem Leben high.

Ich muss ehrlich zugeben, ich habe noch niemals in meinem Leben soviel gelacht wie an diesen drei Tagen. Und ich habe NICHTS vermisst!
OK…das soll jetzt aber niemand als Aufforderung sehen, sich mit Drogen oder Alkohol ins Nirvana zu schießen 😉

Ok, das ist alles nur machbar, wenn man keine Kinder im Haus hat, die selbstverständlich ein Recht auf eine schöne typische Weihnachtszeit haben.
Aber ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass die Weihnachtszeit mit Kindern wesentlich erträglicher ist, denn ich habe die ganzen Jahre versucht, meinem Sohn das in der Zeit zu geben, was ich nicht hatte als Kind.
Basteln, Dekorieren, Kekse backen, Lieder singen, Wunschzettel schreiben, Weihnachtsmann, Weihnachtsmarkt,etc.

Das volle Programm Weihnachtsfeeling in einer sicheren, liebevollen Umgebung!

Wer Kinder hat, hat für diese Zeit eigentlich die besten Skills.

Eure Rapunzel