Knapp 7 Wochen ist dieser Blog nun online,
da wird’s mal Zeit für ein bischen Resümee.


Irgendwie bin ich immer davon abgehalten worden, mal so ein richtiges echtes Coming Out zu veranstalten.
So ein echtes…mit viel Peng und Krawumm!
Den großen Befreiungsschlag! Das Erdbeben, das die Familie erschüttert!
Das Echo meiner Kindheit in den Ohren meiner Familie das Trommelfell zerplatzen zu lassen!

Anscheinend lag es daran, dass selbst kleinste Versuche, mir Gehör zu verschaffen, sofort von meinem Umfeld erstickt wurden und ich gelernt habe, dass meine Bedürfnisse und meine Existenz schon immer bedeutungslos für meine Familie waren.

Und ich habe auch nie Erwartungen gehabt…Hoffnung, dass sich dieses ändert oder sich für mich was ändert, wenn ich den Mund aufmache.

Gestartet habe ich diesen Blog, da es im Frühjahr äussere Umstände gab, die mich in eine Situation brachten, Fremdpersonen auf einem öffentlichen Platz von meiner Biographie zu erzählen.
Bis dahin habe ich mich immer recht bedeckt gehalten, was mich, meine Erkrankung und meine Biografie betrifft.
Seit Jahrzehnten erfährt jeder immer nur das, was ich für notwendig erachte.
Es gab darum nur Scheibchen und das große dunkle Loch, was sicherlich bei vielen Personen, die mit mir in engeren Kontakt kamen, viele Fragezeichen und noch mehr Platz für Spekulationen hinterließ.
Nachhaken hat da bisher immer wenig gebracht und ich habe sofort abgeblockt, das galt auch für Ärzte und Therapeuten.
Die Vergangenheit lässt sich nunmal nicht ändern! Sie ist, wie sie ist!

Doch dieses eine Erlebnis da draussen….vollkommen ungeschützt und unvorbereitet meine Biografie in einer Kurzzusammenfassung mit den harten Facts Fremdpersonen (einem Fernsehteam) erzählen zu müssen, da ich so voll Wut war, hat anscheinend eine innere Blockade gelöst.
Ich habe diese Situation da draussen überlebt, bin nicht dissoziiert, nicht durchgedreht und nicht tot umgefallen. Ich wurde nicht gesteinigt, niemand hat sich über mich lustig gemacht oder mitleidig auf mich nieder geschaut.

Noch Wochen später bin ich von diesem Moment total beeindruckt und das erste Mal in meinem Leben setze ich mich ernsthaft mit dem, was mir passiert ist und was aus mir deswegen geworden ist, intensiv auseinander.

Zweiter Impuls war, als ich bei Facebook erleben musste, wie eine PTBSlerin von körperlich Gehandycapten wegen ihrem Antrag auf Pflegstufe3 übelst gemobbt wurde.
Da hats mich endgültig gepackt…

Ich bin noch immer sprachlos…zumindest was das Reden betrifft….aber mit diesem Blog fange ich an, stückchenweise mein Innenleben, mein Verhalten, und vor allem meine seelische Erkrankung mit den lästigen psychosomatischen Symptomen zu sezieren.

Bis dato war ich nämlich eine Meisterin der Ignoranz…unfähig, mich ernsthaft mit meiner Erkrankung auseinanderzusetzen.

Mehr als die Hälfte meines Lebens bin ich schon psychisch krank und habe es einfach hingenommen. Ich fluchte lediglich auf die Panikattacken, die Agoraphobie…hasste die Dissoziationen und dachte in schweren Episoden der Depression daran,sofort zum Schlachter rennen oder mir anders das Licht ausknipsen….aber mehr nicht!
Natürlich habe ich auch gegen die Symptome gekämpft, mit meinem Schicksal gehadert, mein Dasein selber in Frage gestellt, Frust und Ohnmacht empfunden, mich selber fertig gemacht, aber die Ursachen habe ich ausgeblendet.

Ich habe die Ursachen nicht akzeptieren können oder wollen… ich habe meinen Focus einfach auf andere Dinge gelegt.
Ich habe ein Helfersyndrom entwickelt, habe exzessiv Tierschutz betrieben und Supporter und Coach für Andere in angespannten Lebenslagen gespielt, damit ich abgelenkt war von der eigentlichen Ursache meines Übels.

„Was nicht tötet, härtet ab“
Das war mein Leitspruch seit Teenie- Zeiten.

Ich bin immer davon ausgegangen, dass ich mir alles verdienen und hart erkämpfen muss, um eine Daseins- Berechtigung zu haben und Anerkennung zu erlangen.
Und so habe ich oft an Fronten gekämpft, die gar nicht existierten oder der Krieg war schon längst beendet und ich stand noch immer als einsame Kriegerin auf dem Schlachteld und habe es nicht gemerkt.

Ich war eine Söldnerin, ich habe für jeden gekämpft, nur nicht für mich!
Ich war es weiterhin nicht wert,dass ich mich um mich kümmere und auch die jetzige Erkenntnis, dass sich da was ändern muss, ist nur ein klitzekleiner Entenschritt in eine neue Richtung.

Aber zurück zur Eingangsfrage… Warum gibt es diesen Blog?

Ganz ablegen kann ich mein Helfersyndrom wohl nie….
Ich weiß, dass es mir gezielte Therapie bei den richtigen Leuten höchstwahrscheinlich einfacher gemacht hätte in meinem Leben und ich wohl nicht so beschissen dastehen würde wie jetzt…unfähig, mein Leben authentisch und eigenständig zu leben.
Ich weiß, dass unsere Traumata die Bestimmung über unser Leben übernahmen.
Ich weiß, wie sich das Verhalten verändert, die Denkweise, das Bewertunssystem.
Ich weiß, wie schwer es ist, mit dieser Krankheit zu überleben…
Und ich weiß, wie es sich anfühlt, als Alien durchs Leben zu gehen und überall auf Unverständnis. Gleichgültigkeit, Oberflächlichkeit oder Ablehnung zu stoßen.
Und ich weiß, wie schwer es ist, Vertrauen zu fassen…

Und ich weiß, dass ganz viele Menschen da draussen ähnlich beschissen dran sind wie ich!

Dieses Einzelkämpfer- Gefühl muss bei uns aufhören!
Wir sind nicht allein!  Wir sind ganz Viele!

Ob PTBSler, Depressive, Borderliner, Essgestörte, Multiple…
Jeder mit einem Trauma hat in diesem Land das Recht auf Gehör,
Unterstützung und Behandlung.

Im Umfeld – Am Arbeitsplatz – In der Gesellschaft!

Für einen leichteren Alltag – Für ein besseres Gefühl – Für eine neue Zukunft!

Und der Weg, zu diesem Recht zu kommen, ist undurchsichtig, steinig und schwer.
Ich habe auch lange genug alleine dagestanden…
Und mit diesem Blog möchte ich meinen kleinen bescheidenen Beitrag dazu leisten, dass es für andere einfacher wird, sich dieses Recht zu verschaffen.

Der Blog ist jetzt seit ca. 7 Wochen online…einer von vielen Millionen….
und die gängigen Schlagwörter sind im Suchmaschinenranking natürlich von tausend medizinischen Infoseiten besetzt.
Trotzdem baut sich der Besucherstrom langsam, aber beständig auf.

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Ich finde die Zahlen für meinen kleinen Blog für die paar Wochen schon recht beachtlich, da ich hier keinen Trend, keinen Lifestyle oder politisches Zeitgeschehen anspreche, sondern mich in einer für die Gesellschaft ziemlich uninteressanten Nische mit meinen Beiträgen bewege.
Und das bestärkt mich, an diesem Blog weiterzuarbeiten, Infos zu bündeln, kleine Hilfestellungen für den Alltag zu leisten.

Ich danke jedem einzelnen von Euch, dass Ihr mir die Ehre erweist, meine Worte zu lesen.
Und ich muss auch meinem neuen Partner und einigen wenigen Freunden danken, denn durch sie habe ich erstmals in meinem Leben etwas Stabilität, die mir die Kraft gibt, aktiv etwas ändern zu wollen.
Darum kann ich Euch nur raten…schafft Euch ein gutes Umfeld!

Eure Rapunzel